Berlin 22.2.2022 – Sie sind aus dem ganzen Bundesgebiet gekommen und haben ordentlich Krach geschlagen vor der Berliner AOK-Zentrale in der Wilhelmstraße: Gut hundert Kolleg*innen aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern zeigten bei einem Warnstreik am Mittag, dass sie weiterhin einen einheitlichen Tarifvertrag für die Beschäftigten aller Allgemeinen Ortskrankenkassen bundesweit erwarten – und keine neuerliche Spaltung in West und Ost. Unterstützt wurden die vor Ort Streikenden von Hunderten weiteren AOK-Kolleg*innen, die im Homeoffice solidarisch die Arbeit ruhen ließen.
„2006 hatten wir die Angleichung der Bezahlung in Ost und West erreicht“, berichtet Robert Czadzeck von der AOK Nordost, zu der Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gehören. Eben diese Gliederung der Krankenkasse möchte offenbar zurück zu alten Zuständen, indem sie den Beschäftigten in der laufenden Entgelttarifrunde jegliche Entgelterhöhung vorenthalten will. „Die Arbeitgeberseite behauptet, sie müsse sparen wegen der hohen Ausgaben, die die Reformen des früheren Gesundheitsministers Spahn verursacht hätten“, sagt Robert Czadzeck. Gespart werde aber bereits kräftig – vor allem am Personal. Und da die Digitalisierung bei der AOK Nordost nicht vorankomme, sei der Mehraufwand für die Beschäftigten beträchtlich. Und nun noch die Abkopplung von den bundeseinheitlichen Tarifen? „Das werden wir nicht hinnehmen, zumal der Arbeitgeber nicht mal nachweisen kann, dass ein Defizit besteht.“
Heike Spies, Gewerkschaftssekretärin im Fachbereich Sozialversicherungen im ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg, stellt klar, dass der Arbeitskampf unumgänglich sei. „Alle würden lieber arbeiten, aber der Streik muss nun sein!“ Die Kolleg*innen hätten einen langen Atem und würden kämpfen, bis etwas Vorzeigbares erreicht worden sei. Dass das bereits in der anstehenden Verhandlungsrunde am Mittwoch und Donnerstag gelingen wird, halten sie und die Streikenden aber für eher unwahrscheinlich.
Mehr Geld bräuchten wegen der rasanten Inflation alle Beschäftigten – gleichgültig, wo sie leben, sagt Doreen Feist aus Schwerin. „Wir müssen das einmal Erkämpfte nun auch erhalten.“ Sehr schön sei es, dass so viele Kolleginnen und Kollegen aus anderen Landesbezirken Solidarität mit den Beschäftigten der AOK Nordost zeigten. Etwa Thorsten Schott aus Würzburg, der mit einer ganzen Gruppe von AOK-Beschäftigten aus Bayern nach Berlin gekommen ist, um die Kolleg*innen im Kampf um den einheitlichen Tarifvertrag zu unterstützen. „Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagt er. Auch Marina Albrecht aus Cuxhaven, Gesamtpersonalratsvorsitzende der AOK Niedersachsen, betont, dass alle rund 60.000 AOK-Beschäftigten zusammengehörten und niemand abgehängt werden dürfe. „Zudem fordern wir endlich ein wertschätzendes Entgeltangebot in der bevorstehenden Verhandlungsrunde von der Arbeitgeberseite.“
Ein mitgeführtes Plakat bringt auf den Punkt, was die Streikenden von der bisherigen Offerte halten: „Euer Angebot ist ein Witz.“ ver.di fordert eine Erhöhung von 5,9 Prozent, mindestens 200 Euro monatlich, für die Auszubildenden 150 Euro, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, womit die Erhöhung knapp über der Inflationsrate läge. Die Arbeitgeberseite hat allerdings bisher nur eine Einmalzahlung in Höhe von 1.000 Euro im März für Tarifbeschäftigte sowie 400 Euro für die Auszubildenden angeboten. Ab Dezember soll es eine prozentuale Erhöhung um 1,7 Prozent bei einer Laufzeit von 24 Monaten geben. Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle hatte diese Offerte kritisiert: Obwohl die AOK-Beschäftigten trotz vieler Herausforderungen stets Ansprechpartner*innen für die Versicherten seien, sollen sie „in dieser Tarifrunde trotz steigender Inflationsraten vom Einkommensniveau anderer Kassen abgehängt werden“. So würden die Beschäftigten auf einen Kostenfaktor reduziert, statt Respekt und Anerkennung für ihre Leistung zu erfahren.
Dass die AOK Nordost zudem das Tarifergebnis nicht für ihre Beschäftigten anwenden will, obwohl sie Mitglied der bundesweiten Tarifgemeinschaft ist, sei abzulehnen. „Eine einseitige Demontage der Tarifbindung ist nicht akzeptabel“, so Behle. „Die Beschäftigten der AOK Nordost haben wie alle anderen eine angemessene Vergütung für ihre Arbeit verdient.“
Text: Gudrun Giese
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