In Deutschland erhält derzeit knapp jede*r zweite Beschäftigte Urlaubsgeld. Die Wahrscheinlichkeit, ob ein*e Beschäftigte*r Urlaubsgeld erhält oder nicht, ist dabei von mehreren Faktoren abhängig. Vor allem aber davon, ob im Unternehmen ein Tarifvertrag gilt. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Online-Befragung des Internet-Portals www.lohnspiegel.de vom Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Für die Analyse wurden die Angaben von mehr als 123.000 Beschäftigten aus dem Zeitraum von Anfang Januar 2018 bis Ende April 2019 ausgewertet.
Beschäftigte, die in einem tarifgebundenen Unternehmen arbeiten, sind klar im Vorteil: 69 Prozent von ihnen erhalten ein Urlaubsgeld. Bei den Beschäftigten ohne Tarifvertrag sind es hingegen lediglich 36 Prozent. „Die Chance auf ein Urlaubsgeld ist damit in tarifgebundenen Unternehmen fast doppelt so hoch“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. Beschäftigte in Unternehmen ohne Tarifbindung seien gleich doppelt im Nachteil: „In aller Regel liegen schon die Grundgehälter unter dem entsprechenden Tarifniveau und zusätzlich fehlt ihnen ein tariflich verbriefter Anspruch auf Urlaubsgeld.“ Gewerkschaftsmitglied zu sein und Tarife zu erstreiten, lohnt sich also.
Auch die Größe eines Betriebes spielt eine wichtige Rolle. Von den Beschäftigten in Kleinbetrieben (unter 100 Beschäftigte) gaben in der Lohnspiegel-Erhebung nur 37 Prozent an, Urlaubsgeld zu bekommen. In größeren Betrieben (über 500 Beschäftigte) lag der Anteil mit 61 Prozent wesentlich höher. Und es gibt deutliche regionale Unterschiede: Während im Westen fast die Hälfte (49 Prozent) der Beschäftigten einen Zuschuss zur Urlaubskasse bekommen, ist dies in den ostdeutschen Ländern nur bei einem Drittel der Fall (35 Prozent). „Hier wirkt sich die geringe Tarifbindung in Ostdeutschland spürbar zu Lasten der Beschäftigten aus“, sagt Schulten. Eine Rolle spielt auch, dass in Ostdeutschland weniger Großbetriebe angesiedelt sind.
Am häufigsten ist das Urlaubsgeld in den immer noch eher männlich dominierten Industrieberufen verbreitet, in denen zugleich auch eine relativ hohe Tarifbindung vorherrscht. Fakt ist daher: Insgesamt erhalten Männer deutlich häufiger Urlaubsgeld (50 Prozent) als Frauen (41 Prozent). „Hier kommt zum Tragen, dass in den Berufen mit einem hohen Männeranteil überdurchschnittlich häufig Urlaubsgeld gezahlt wird“, so Schulten. Wie etwa in Branchen mit vielen Ingenieuren und anderen technischen Berufen. In den privaten Dienstleistungen, die einen hohen Frauenanteil aufweisen, wird hingegen deutlich seltener Urlaubsgeld gezahlt. Schlusslicht sind Callcenter, wo nur jeder vierte Beschäftigte (26 Prozent) Urlaubsgeld bekommt.
Auch die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich erhalten nur zu etwa einem Drittel Urlaubsgeld, was jedoch teilweise damit zusammenhängt, dass deren Arbeitsbedingungen sich am öffentlichen Dienst orientieren, wo bereits seit geraumer Zeit kein gesondertes Urlaubsgeld mehr gezahlt wird, sondern nur noch eine Sonderzahlung am Jahresende.
Die Höhe des tarifvertraglich vereinbarten Urlaubsgeldes fällt je nach Branche sehr unterschiedlich aus: Zwischen 155 und 2.450 Euro bekommen Beschäftigte in der mittleren Vergütungsgruppe dieses Jahr als tarifliches Urlaubsgeld. Am wenigsten Geld für die Urlaubskasse bekommen Beschäftigte in der Landwirtschaft, im Steinkohlenbergbau und im Hotel- und Gaststättengewerbe. Die höchsten Zahlungen erhalten Beschäftigte unter anderem in der Holz- und Kunststoffverarbeitung, der Metallindustrie, der Papier verarbeitenden Industrie sowie in der Druckindustrie und im Versicherungsgewerbe.
Gegenüber dem Vorjahr hat sich das tarifliche Urlaubsgeld in 11 von 22 untersuchten Branchen erhöht. Besonders kräftig fiel die Erhöhung in der chemischen Industrie aus, wo das Urlaubsgeld nahezu verdoppelt wurde. In den übrigen Branchen variiert die Erhöhung des Urlaubsgeldes zwischen 1,0 bis 8,7 Prozent, wobei insbesondere einige Branchen in Ostdeutschland wie etwa die Textilindustrie oder das Bauhauptgewerbe relativ hohe Zuwächse verzeichneten. In Branchen, wie in der Metall- und Elektroindustrie, in denen das Urlaubsgeld als ein bestimmter Prozentsatz der Tarifentgelte festgelegt wird, folgte das Urlaubsgeld den allgemeinen Tariferhöhungen.
Zur Methode der Befragung: Die Daten des Online-Portals Lohnspiegel.de beruhen auf einer kontinuierlichen Online-Umfrage unter Erwerbstätigen in Deutschland. Für die Analyse wurden mehr als 123.000 Datensätze berücksichtigt. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die tatsächlich gezahlten Entgelte und die Häufigkeit von Sonderzahlungen. Der Lohnspiegel ist ein nicht-kommerzielles Angebot der Hans-Böckler-Stiftung, mit dem Beschäftigte ihr eigenes Gehalt mit den üblichen Gehältern in 430 Berufen vergleichen können.
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