Gräfenhausen: Protest beendet, Fahrer erhalten Geld

© Boris Roessler/dpa
Trucker jubeln auf der Raststätte Gräfenhausen, wo sie mehr als zwei Monate mit rund 80 anderen LKW-Fahrern für die Auszahlung ihres Lohnes streikten
02.10.2023

Nach zehn Wochen ist der Protest der überwiegend usbekischen und georgischen LKW-Fahrer auf der Autobahnraststätte Gräfenhausen in Hessen beendet. Sie hatten gestreikt, weil ihr polnischer Auftraggeber ihnen schon teils seit Monaten keinen Lohn mehr bezahlt hatte. Von den 160 Fahrern warteten zuletzt noch rund 80 Fahrer auf ihr Geld, die Hälfte von ihnen war zwischenzeitlich in den Hungerstreik getreten. Es ging um ausstehenden Lohn in einer Gesamthöhe von mehr als einer halben Million Euro.

Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis, die unter anderem für die Logistik-Branche zuständig ist, musste mit den Tränen kämpfen, als sie auf dem ver.di-Bundeskongress in der zurückliegenden Woche berichtete, dass einer der Fahrer versucht habe, sich das Leben zu nehmen vor lauter Verzweiflung. Er konnte zum Glück gerettet werden. „Das kollektive Wegschauen der Kunden, der Fuhrunternehmen, das schamlose Ausnutzen und Brechen von EU-Regeln durch die Unternehmen sowie das hilflose Handeln der Unternehmensverbände muss endlich ein Ende haben“, fordert sie.

 

„Arbeitgeber, die ihre Fahrer anzeigen, anstatt sie zu bezahlen, haben auf unseren Straßen nichts zu suchen.“

Andrea Kocsis, stellvertretende ver.di-Vorsitzende

Für die zuletzt protestierenden Fahrern – bereits im Frühjahr hatten in Gräfenhausen rund 60 Fahrer, die ebenfalls für das polnische Unternehmen Mazur fuhren, gestreikt – ist nun vorerst eine Lösung gefunden. Der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema, der wie schon im Frühjahr von den Fahrern zu ihrem Verhandlungsführer ernannt wurde, sagte am 30. September, der polnische Spediteur habe seine Strafanzeige wegen Erpressung zurückgezogen. Er habe er schriftlich zugesichert, dass er seine Ansprüche gegen die Fahrer zurücknehme und auch künftig keine Ansprüche in Deutschland oder in anderen Ländern gegen die Fahrer erheben wolle, so Atema.

Erschreckendes Licht auf die Arbeitsbedingungen auf Europas Straßen

Atema berichtete zudem, die Fahrer erhielten nun auch Geld, lediglich zur Höhe äußerte er sich nicht. „Für die Fahrer geht ein mutiger, langer und verzweifelter Kampf zu Ende, der einmal mehr ein erschreckendes Licht auf die Arbeitsbedingungen auf Europas Straßen geworfen hat“, hieß es beim DGB im Bezirk Hessen-Thüringen. Eine Fortsetzung der Ausbeutung auf den Straßen Europas ließe sich nur verhindern, wenn die Einhaltung bestehender Regeln konsequent überprüft würden.

ver.di hatte kurz vor dem Ende des Protests ein sofortiges Eingreifen der Kontrollbehörden gefordert, um die unhaltbare Situation der LKW-Fahrer auf der Autobahnraststätte aufzulösen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) müsse endlich tätig werden und alle beteiligten Unternehmen in die Verantwortung nehmen. „Unternehmen, die im Rahmen dieser Lieferkette Geld verdienen, müssen für die ausstehenden finanziellen Ansprüche aufkommen“, sagt Andrea Kocsis

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz missachtet

Gräfenhausen zeige wie unter einem Brennglas, dass das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz nicht beachtet oder sogar missachtet werde. „Die Auftraggeber müssen die Arbeitsbedingungen der von ihnen beauftragten Fuhrunternehmen konsequent kontrollieren und Geschäftsbeziehungen beenden, wenn die Standards nicht eingehalten werden.“

Der polnischen Mazur-Gruppe, die die Verantwortung für die Situation der Fahrer trage, müsse sofort die EU-Transportlizenz entzogen werden, fordert auch Kocsis. „Arbeitgeber, die ihre Fahrer anzeigen, anstatt sie zu bezahlen, haben auf unseren Straßen nichts zu suchen.“ Es sei absolut unerträglich und nicht akzeptabel, dass die Fahrer – wie geschehen – von Beteiligten aus der Lieferkette bedroht würden und deshalb unter Polizeischutz stünden.

 

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