Freie & Selbstständige

Novemberhilfen zielen an Arbeitsrealität von Künstler*innen vorbei

Hilfen in Zeiten von Corona
19.11.2020

Berlin, 19. November 2020 – Der arme Poet von Carl Spitzweg, der in seiner kalten Dachstube mit dem Regenschirm im Bett sitzt, weil es durchs Dach tropft, ist bis heute das Sinnbild für brotlose Kunst. Tatsächlich können sehr viele Kulturschaffende gut von ihrer Kunst leben. Nur: Seit Beginn der Corona-Pandemie ist es vielen kaum möglich, ihrem Broterwerb wie gewohnt nachzugehen. Schriftsteller*innen haben da eher keine Probleme, vollzieht sich ihre Arbeit meist immer noch im stillen Kämmerlein. Musiker*innen oder Schauspieler*innen allerdings verzeichnen teils deutliche Einkommenseinbußen, weil sie so gut wie gar nicht auftreten können, weil ihnen die Bretter, die ihre Arbeitswelt bedeuten, verschlossen sind. Jetzt in der zweiten Corona-Welle sollte auch ihnen geholfen werden. „Die Novemberhilfen sind ein großartiger Schritt in die richtige Richtung“, sagt die ehrenamtliche ver.di-Beauftragte für Kunst und Kultur, Anja Bossen, aber sie sagt auch: „Ich sehe mit Sorge, dass sie in ihrer jetzigen Form an der Arbeitsrealität selbstständiger Kulturschaffender vorbei zielen.“ Es müsse endlich sichergestellt werden, dass die finanzielle Unterstützung, also die sogenannten Novemberhilfen, tatsächlich auch bei den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern sowie Kulturschaffenden ankomme, so Bossen.

 
Die Sitzreihen abgedeckt, der Orchestergraben verlassen – die Kulturstätten in Deutschland wirken dieser Tage gespenstisch leer


Direkt oder indirekt betroffen?

Mit den Novemberhilfen hat sich die Bundesregierung entschlossen, selbstständige Unternehmer*innen zu unterstützen, die durch temporäre Schließungen im Rahmen der Bekämpfung der Corona-Pandemie Umsatzausfälle haben. Ausdrücklich soll der finanzielle Zuschuss nun auch für die Lebenshaltungskosten der Selbständigen genutzt werden können. Im Moment ist allerdings noch strittig, wer als direkt oder indirekt betroffen von den Schließungen gilt: Kulturschaffende sind zumeist Auftragnehmer*innen der Einrichtungen, die auf Anordnung schließen mussten. „Von den angeordneten Schließungen der Veranstaltungsorte sind solo-selbstständige Künstlerinnen und Künstler wirtschaftlich direkt erfasst, da ihre berufliche Tätigkeit de facto zum Erliegen kommt“, sagt Anja Bossen. Und: Wenn ein Ziel der Novemberhilfen sei, die bestehende existenzielle Bedrohung der Erwerbstätigen in Kunst und Kultur abzuwenden, dann müsse die direkte Betroffenheit auch klargestellt werden.

Werden Kulturschaffende hingegen als indirekt Betroffene eingestuft, können sie nur Unterstützung erhalten, wenn sie regelmäßig 80 Prozent ihres Umsatzes mit von der Schließung direkt betroffenen Einrichtungen wie Theatern, Opern und Konzerthäusern gemacht haben. Dies würde aus zwei Gründen dazu führen, dass die Novemberhilfen an vielen selbstständigen Künstlerinnen und Künstlern vorbeigehen, so die ver.di-Kulturbeauftragte. Zunächst stehen Kulturschaffende häufig auf mehreren Standbeinen, nicht alle davon sind von den Schließungen betroffen. Einige unterrichten nebenbei, andere sind etwa im Filmbereich tätig, wieder andere arbeiten auch in kulturfremden Branchen. Doch selbst wenn Künstler*innen auch im November noch über gewisse Einnahmen aus anderen Tätigkeiten verfügen, sind die Umsatzeinbrüche für sie bedrohlich. Darüber hinaus sind Umsatzeinbrüche nicht allein den Schließungen geschuldet. Auch die Beschlüsse und Appelle, Kontakte so weit wie möglich einzuschränken, haben Aufträge und Arbeitsmöglichkeiten für Kulturschaffende, etwa im Bereich privater Veranstaltungen, wegbrechen lassen.

Was Solo-Selbstständige noch tun können, steht in den ausführlichen, hier verlinkten FAQs