Seit dem 1. Januar 2024 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von 12,41 Euro die Stunde. Millionen Beschäftigte, mehrheitlich Frauen, leben vom Mindestlohn. ver.di fordert unter Verweis auf eine EU-Richtlinie eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde. Warum es einen gesetzlichen Mindestlohn braucht, warum er deutlich steigen muss, und was Beschäftigte noch wissen müssen
14 bis 15 Euro pro Stunde mindestens – von dieser Lohnuntergrenze geht Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, ab 2026 aus. Ein deutlicher Anstieg, wird derzeit doch ein Mindestlohn von 12,41 Euro pro Stunde gezahlt. 2025 werden es 41 Cent mehr sein. Diese Erhöhung wurde auf Empfehlung der Mindestlohnkommission der Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr festgelegt, sie entstand gegen die Stimmen der Gewerkschaftsverteter*innen in der Kommission.
Jetzt soll 2026 ein kräftiger Sprung erfolgen. Das begründet der Bundesarbeitsminister mit der EU-Mindestlohnrichtlinie. Danach soll der Mindestlohn in den Mitgliedsstaaten möglichst schnell auf 60 Prozent des mittleren Lohns angehoben werden – und das sind in Deutschland in etwa 15 Euro. Bis zum 15. November haben die Mitgliedsstaaten Zeit, die Richtlinie national umzusetzen. Das sieht Heil erfüllt, wenn die Mindestlohnkommission eine entsprechende Erhöhung vorschlägt.
Aktuell liegt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland bei 12,41 Euro in der Stunde. ver.di fordert eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde und stützt sich dabei auf die Umsetzung der EU-Richtlinie. 60 Prozent des Median-Einkommens, dieses mittlere Einkommen liegt in Deutschland derzeit bei über 14 Euro.
Die Arbeitgeberverbände kritisierten den Bundesarbeitsminister dennoch für seine Aussage. Der Minister beschädige damit die Mindestlohnkommission und verdrehe die Rechtslage, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Für die Erhöhung des Mindestlohns sei allein die Tariflohnentwicklung bei der Entscheidung der Mindestlohnkommission maßgeblich.
Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis, wie Kampeter Mitglied der Mindestlohnkommission, findet es hingegen richtig, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil klargestellt habe, welche Kriterien bei der Festlegung des gesetzlichen Mindestlohns zu beachten seien.
Der neugewählte Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Dennis Radtke, hat hingegen eine Indexlösung vorgeschlagen. 60 Prozent des mittleren Lohnniveaus sollten als Höhe entsprechend der EU-Richtlinie festgesetzt werden. Die nötigen Werte könne das Statistische Bundesamt errechnen.
Zwar steigt der Mindestlohn 2025 um weitere 41 Cent auf dann 12,82 Euro pro Stunde, wie von der Mindestlohn-Kommission beschlossen, das reicht jedoch weiterhin nicht aus. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke sagt: „Da die durchschnittlichen Löhne weiter steigen werden, braucht es 2026 einen Mindestlohn von 15 Euro die Stunde“, und betont: „Insofern empfehle ich jeder Partei, die von breiten Teilen der Bevölkerung gewählt werden will, im Bundestagswahlkampf deutlich zu machen, dass sie für 15 Euro die Stunde eintritt.“ Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, fordert eine Erhöhung auf 15 Euro schon für das kommende Jahr 2025. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, SPD, fordert eine zeitnahe Erhöhung auf mindestens 14 bis 15 Euro die Stunde.
Durch die Erhöhung auf 12 Euro pro Stunde im Oktober 2022 wurde der gesetzliche Mindestlohn innerhalb nur eines Jahres um mehr als 22 Prozent angehoben. Diese Erhöhung kam zur rechten Zeit: Beschäftigte mit niedrigen Einkommen leiden in besonderen Maßen unter den anhaltenden Preissteigerungen. Sie müssen einen vergleichsweisen hohen Anteil ihres Einkommens für Grundlegendes wie Energie und Lebensmittel ausgeben. Die Mindestlohnerhöhung hat da erst einmal Entlastung geschaffen. Aber die hohen Inflationsraten haben gleichzeitig die beabsichtigte Anhebung des Mindestlohns auf ein einigermaßen existenzsicherndes Niveau zu einem guten Stück wieder zunichte gemacht.
Der gesetzliche Mindestlohn macht sich für die Beschäftigten in Deutschland aber generell bezahlt. Seit seiner Einführung haben sich die Einkommen insgesamt betrachtet deutlich erhöht. Zu diesem Ergebnis ist eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung gekommen. Besonders profitiert haben demnach Beschäftigte mit niedrigem Einkommen. Und: In Ostdeutschland sind die Zuwächse am größten. Der Mindestlohn hat so bisher dazu beigetragen, Lohnungleichheiten in verschiedenen Regionen Deutschlands zu verringern. Ein Selbstläufer sei das laut der Studie keinesfalls. Wenn es nämlich nur geringe Erhöhungen gibt, wie für das Jahr 2024 und das kommende Jahr 2025 vorgesehen, schwäche das den positiven Effekt des Mindestlohns. Deshalb brauche es laut des WSI stärkere Anhebungen und empfiehlt ebenfalls die Orientierung an den Bezugsgrößen der EU-Mindestlohnrichtlinie, die für einen angemessenen Mindestlohn unter anderem mindestens 60 Prozent vom Medianlohn, also dem durchschnittlichen bzw. mittleren Lohn eines jeden EU-Landes nennt.
Die Bundesregierung steht ohnehin vor der Aufgabe, die entsprechenden EU-Vorgaben umsetzen zu müssen.
Mit der im Oktober 2022 verabschiedeten Europäischen Mindestlohnrichtlinie muss die Mindestlohnkommission zudem eine Reihe von neuen Kriterien berücksichtigen. Hierzu zählen unter anderem die allgemeine Lohnentwicklung, die Kaufkraft des Mindestlohns und die Entwicklung der Produktivität. Als wichtigste Orientierungsgröße für ein angemessenes Mindestlohniveau empfiehlt die Europäische Mindestlohnkommission, dass der Mindestlohn nicht weniger als 60 Prozent des sogenannten Medianlohns betragen soll. Nach jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes liegt der aktuelle Mindestlohn in Deutschland mit 12,41 Euro bei etwa 53 Prozent des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, hatte für 2024 eine deutliche Mindestlohnerhöhung angekündigt. „Arbeit muss sich lohnen“, sagte Heil noch Mitte April 2023. Er begründete eine spürbare Erhöhung mit der hohen Inflation und ordentlichen Tariferhöhungen, die sich bei der Festlegung des Mindestlohns durch die Mindestlohnkommission niederschlagen würden. Das ist nun nicht geschehen. Andrea Kocsis sagt nach der jetzigen Empfehlung der Mindestlohnkommission: „Nach den aktuellen Erfahrungen mit den Arbeitgebern ist nicht davon auszugehen, dass die Mindestlohnkommission die EU-Mindestlohnrichtlinie ohne weitere Konkretisierung durch den Gesetzgeber umsetzen wird.“
In lediglich etwa der Hälfte der 22 EU-Länder mit gesetzlichen Mindestlöhnen war 2022 die Anhebung der Lohnuntergrenze stark genug, um die hohe Inflation mindestens auszugleichen. In zehn Ländern erlitten zum Mindestlohn Beschäftigte hingegen zum Teil deutliche reale Kaufkraftverluste. Vergleichsweise gut fiel die Entwicklung in Deutschland durch die Mindestlohnanhebung auf 12 Euro aus: Zwischen Anfang 2022 und Anfang 2023 stiegen dadurch die Stundenlöhne von Mindestlohnbezieher*innen inflationsbereinigt um 12,4 Prozent – ein spürbarer Beitrag, um in der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Krise Nachfrage und Wirtschaftsentwicklung zu stützen. Das zeigte der internationale Mindestlohnbericht des WSI vom März 2023.
Aktuell liegt der Mindeststundenlohn bei 12,41 Euro. Rund 6,64 Millionen Beschäftigte in Deutschland haben seit dem 1. Oktober 2022 von der Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro brutto pro Stunde profitiert. Laut einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat sich diese Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns direkt auf diese Millionen Beschäftigte ausgewirkt. Ihnen hat der höhere Mindestlohn ein Plus von durchschnittlich über 100 Euro pro Monat beschert. Im Detail kam Folgendes heraus: Bei 19 Prozent der für die Studie Befragten waren es mehr als 200 Euro, bei 21 Prozent zwischen 100 und 200 Euro, bei 38 Prozent zwischen 50 und 100 Euro und bei 22 Prozent weniger als 50 Euro. Nach Beschäftigungsstatus verdienten Vollzeitbeschäftigte im Schnitt monatlich 155 Euro mehr, Teilzeitbeschäftigte 104 Euro und geringfügig Beschäftigte immerhin noch 59 Euro mehr.
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat 2024 erstmals Mindestlohneffekte für das individuelle Einkommen und das bedarfsgewichtete Brutto- und Haushaltsnettoeinkommen berechnet. Grundlage waren die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) der Jahre 2008, 2013 und 2018, die sehr detaillierte und umfassende Daten zur Einkommenssituation von rund 42.000 Haushalten in Deutschland enthält. Die EVS wird seit 1962/63 in der Bundesrepublik Deutschland als fester Bestandteil der amtlichen Statistik alle fünf Jahre als freiwillige Haushaltserhebung durchgeführt.
Das WSI ist in seiner Befragung zu dem Ergebnis gekommen: Während die Lohnentwicklung im unteren Einkommensbereich zwischen 2008 und 2013 nahezu stagnierte, gab es nach der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 deutliche Zuwächse, insbesondere in Ostdeutschland: Im Zeitraum von 2013 bis 2018 stiegen die individuellen Einkommen der unteren 30 Prozent auf der Lohnskala im Osten um durchschnittlich gut 21 Prozent, im Westen um rund 12 Prozent.
Das höhere Plus in Ostdeutschland hat seine Ursache darin, dass dort mehr Menschen im Niedriglohnsektor arbeiten als in Westdeutschland, so die Erklärung des WSI: Je niedriger die Einkommen, desto höher die Zuwächse. Die Löhne von ostdeutschen Beschäftigten mit einem Monatsverdienst von knapp 1.300 Euro stiegen so bis 2018 preisbereinigt um durchschnittlich sogar gut 31 Prozent. Aber auch die Einkünfte Beschäftigter mit relativ hohen Einkommen sind gestiegen: Zwischen 2013 und 2018 betrug der Anstieg bei den obersten 30 Prozent der Löhne im Osten durchschnittlich um rund 14 Prozent, im Westen um 11 Prozent.
Die Schwarzmalerei der Wirtschaft, die vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland das Aus für etliche Unternehmen und den massiven Verlust von Arbeitsplätzen verkündete und mit jeder Erhöhung des Mindestlohns ins gleiche Horn bläst, hat sich als Trugbild erwiesen. Denn nichts davon ist eingetreten. Das zeigt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Mindestlohnkommission von Anfang August 2022. Ganz im Gegenteil geht aus der Untersuchung hervor, dass manche Branchen sogar produktiver geworden sind.
Tatsächlich haben die Einführung des Mindestlohns Anfang 2015 und seine erste Erhöhung 2017 kaum zu Marktaustritten von Unternehmen geführt, auch zu diesem Ergebnis kommt die Studie des ZEW. Demnach gaben zwar Kleinstunternehmen mit bis zu vier Beschäftigten in den Arbeitsmarktregionen auf, wo viele Mitarbeiter zuvor weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienten, also den Stundenlohn, mit dem der Mindestlohn 2015 eingeführt wurde. Gezeigt habe sich das laut Studie vor allem in Ostdeutschland, wo der Bruttodurchschnittslohn 2015 wesentlich niedriger gewesen sei als im Westen. Auf die Zahl der Arbeitslosen hat das dennoch keine Auswirkungen gehabt. Auch hier ist eine gegenteilige Entwicklung zu verzeichnen: Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist gestiegen. Und auch nach dem Anstieg auf 12 Euro die Stunde führte das keineswegs zu Entlassungen oder Unternehmenspleiten.
Der Mindestlohn ist 2022 einmalig um 22 Prozent (!) auf 12 Euro gestiegen. Das ist ein weiteres Kapitel in der Erfolgsgeschichte des gesetzlichen Mindestlohns.
In unserem ver.di-Podcast „Auf Arbeit“ hat sich deshalb unsere Moderatorin Jenny Mansch einen spannenden Gast zum Thema ins Studio geholt: Andrea Kocsis. Sie ist stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Mitglied in der Mindestlohn-Kommission, dem Gremium aus Arbeitgeber*innen, Wissenschaftler*innen und Gewerkschafter*innen, das über den Mindestlohn entscheidet. Andrea gibt einen spannenden und hörenswerten Einblick in die Geschichte des Mindestlohns, welche Rolle ver.di dabei spielte und räumt dabei auch gleich mit ein paar Mythen und Behauptungen rund um den Mindestlohn auf.
Viel Spaß beim Anhören!
8,6 Millionen Beschäftigte haben vor der Erhöhung des Mindestlohns im Oktober 2022 weniger als 12 Euro brutto pro Stunde verdient. Rund zwei Drittel dieser 8,6 Millionen Menschen sind Frauen. Sie haben unmittelbar von dem höheren Mindestlohn profitiert; ver.di hatte seit langem die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro gefördert. Ein höheres Einkommen würden in der Mehrheit zudem Beschäftigte mit Berufen erzielen, die eine abgeschlossene Ausbildung erfordern.
Nach der Erhöhung auf 12 Euro hat es nicht – wie bisher geplant – 2023 die nächste Erhöhung des Mindestlohns gegeben. Tatsächlich wurde der Mindestlohn erst wieder zum 1.1.2024 auf 12,41 Euro angehoben, die nächste Erhöhung erfolgt um weitere 41 Cent zum 1.1.2025 auf dann 12,82 Euro.
Seit 1. Januar 2024: 12,41 Euro
Bei seiner Einführung zum 1. Januar 2015 lag die Höhe bei 8,50 Euro pro Stunde.
Mit den neuen Standards zu Lohnuntergrenzen in allen EU-Staaten soll Europa noch ein Stück sozialer werden. Die jetzt geplante untere Haltelinie, vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) auch Anstandsgrenze genannt, wird in jedem EU-Land unterschiedlich hoch sein. Mehr erfahren
Die Einführung und Erhöhungen des gesetzlichen Mindestlohns haben seit 2015 die Einkommenssituation von Millionen Menschen in Deutschland verbessert, von denen nicht wenige in „systemrelevanten“, aber niedrig bezahlten Berufen arbeiten. Der Mindestlohn hat dadurch die private Konsumnachfrage spürbar unterstützt, die in den vergangenen Jahren wesentlich zum Wirtschaftswachstum in Deutschland beigetragen hat. Ohne ver.di und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gäbe es den gesetzlichen Mindestlohn womöglich bis heute nicht in Deutschland. Zehn Jahre lang haben sich vor allem ver.di und die NGG für ihn stark gemacht. Und seit seiner Einführung setzen sie sich für seine ständige Erhöhung ein. Ist der gesetzliche Mindestlohn zu niedrig, würde er schon bald seine positive Wirkungen verlieren.
Die Mindestlohnkommission entscheidet alle zwei Jahre darüber, wie der Mindestlohn weiter steigt. Als Orientierung gelten dabei die jeweiligen Lohnentwicklungen und Tarifabschlüsse in Deutschland. Angelehnt an die Lohnsteigerungen im Land steigt entsprechend auch der Mindestlohn. Zuletzt hat sie im Frühjahr 2023 beschlossen, dass der Mindestlohn in 2024 und 2025 zum Jahresanfang jeweils um 41 Cent steigen soll. Zustandegekommen ist dieser Beschluss mit den Stimmen der Arbeitgebervertreter*innen und der Vorsitzenden der Mindestlohnkommission. Die Gewerkschaftsvertreter*innen in dem Gremium haben nicht zugestimmt. Sie halten diese Erhöhung für nicht ausreichend. Bis zum Sommer 2025 muss die Mindestlohnkommission ihre Empfehlung vor 2026 und 2027 vorlegen.
Die Mindestlohnkommission der Bundesregierung hat neun Mitglieder, neben dem Vorsitzenden und zwei Wissenschaftler*innen gehören ihr je drei Vertreter*innen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite an. Zu letzteren zählt derzeit die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Alle zwei Jahre legt die Kommission bis spätestens zum 30. Juni einen Bericht vor und gibt eine Empfehlung für die Lohnuntergrenze in den folgenden beiden Jahren ab.
Eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung hat darüber hinaus ergeben, dass sich eine solche Anhebung positiv auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auswirken würde. Zugleich wird auf Studien aus den USA verwiesen, die gezeigt hätten, „dass eine Erhöhung des Mindestlohns auf 60 bis 66 Prozent des Medianlohns ohne negative Auswirkungen auf die Beschäftigung möglich ist“, so die Wissenschaftler*innen des IMK in einer Pressemitteilung.
In der EU gibt es Bestrebungen, in den Mitgliedsländern Mindestlöhne einzuführen, die bei 60 Prozent des jeweiligen Medianlohns liegen sollen. Deutschland kommt dabei derzeit nur auf 45,6 Prozent – und liegt im EU-Vergleich so betrachtet am unteren Ende des Rankings.
Beim Start der „Initiative Mindestlohn“ von ver.di und NGG im März 2006 lautete die zentrale Forderung noch „Kein Lohn unter 7,50 Euro pro Stunde“.Sie wurde auf 4.000 Großflächenplakaten in ganz Deutschland beworben und über einen Blog kommuniziert. Bei seiner endgültigen Einführung 2015 lag er schließlich bei 8,50 Euro, ab dem 1. Juli 2021 werden es 9,60 Euro sein. In der Europäischen Union bewegte sich Deutschland damit im oberen Drittel. Nur in Luxemburg lag der gesetzliche Mindestlohn bereits bei über 12 Euro, eine Höhe, die ver.di möglichst schnell auch hierzulande erreichen wollte.
Zudem: Die Bundesregierung war vor der Verabschiedung des Gesetzes dem Druck aus der Wirtschaft erlegen und hat Ausnahmen für Langzeitarbeitslose, Unter-18-Jährige und Beschäftigte bestimmter Branchen wie der Zeitungszustellung ins Gesetz geschrieben. Aktuell sind Pflichtpraktikanten, Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Auszubildende, ehrenamtlich tätige Mitarbeiter*innen, Langzeitarbeitslose, Freiberufler*innen und Selbstständige vom Mindestlohn ausgeschlossen.
Als Mitglied genießen Sie alle Vorteile unserer großen Organisation und die Solidarität von mehr als zwei Millionen Kolleginnen und Kollegen.
ver.di ist eine starke Organisation aus knapp 2 Mio. Menschen, die sich zusammengefunden haben, um ihre Interessen durchzusetzen. ver.di finden Sie vor Ort und in Betrieben. Wir machen uns stark für Arbeitnehmerrechte, verhandeln Tarifverträge und setzen die Interessen unserer Mitglieder politisch durch.
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Unter einem Mindestlohn versteht man einen Lohn, der durch ein Gesetz oder einen von Gewerkschaften ausgehandelten Tarifvertrag festgelegt wird. Dieser Mindestlohn darf dann nicht mehr unterschritten werden. Dabei kann sich die Regelung über einen Mindestlohn entweder auf den Stundenlohn oder den Monatslohn beziehen. Bevor zum 1.1.2015 in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde, gab es bereits für einige Branchen einen sogenannten Branchenmindestlohn. So zum Beispiel in folgenden Branchen: Abfallwirtschaft, Pflege, Bauhauptgewerbe, Bergbauspezialarbeiten, Wäschereidienstleistungen, Objektkundengeschäft, Dachdecker-, Elektro-, Gebäudereiniger- sowie Maler- und Lackiererhandwerk. Bereits 1970 hatte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) eine Absichtserklärung zur Einführung von Verfahren zur vertraglichen Festlegung von Mindestlöhnen beschlossen. Im Jahr 2000 hatten erst 51 der 181 ILO-Mitgliedsstaaten eine solche Absichtserklärung zur Einführung von Mindestlöhnen in Kraft gesetzt. Inzwischen gibt es laut der ILO in über 90 Prozent ihrer Mitgliedsstaaten Mindestlöhne.
Die verstehen das nämlich genauso wenig wie Menschen, die mit Gewerkschaften bisher noch nichts zu tun hatten. Unsere Kinderreporter wollten diesmal wissen, was denn genau der Mindestlohn ist. Gewerkschaft für Anfänger.
Anders als bei unseren europäischen Nachbarn, die prozentuale Abstufungen für einen Jugendmindestlohn geltend machen, sind Minderjährige in Deutschland komplett vom Mindestlohn ausgenommen. Auch für Auszubildende und junge Leute in Einstiegsqualifizierungen (egal, ob öffentlich gefördert oder tariflich vereinbart) oder Pflichtpraktika im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums gilt der Mindestlohn nicht, da es sich hierbei um ein Lernverhältnis handelt. Azubis erhalten tariflich ausgehandelte Auszubildendenvergütungen. Auch wenn ein Auszubildender über 18 Jahre alt sein sollte, besteht im Ausbildungsverhältnis kein Anspruch auf Mindestlohn, wohl aber für einen Nebenjob. Menschen, die ein freiwilliges Orientierungs-Praktikum (vor Ausbildung oder Studium) machen, haben erst nach einer Dauer von drei Monaten Anspruch auf den Mindestlohn. Für alle Praktika gilt aber, dass die Vertragsinhalte vom Arbeitgeber schriftlich mitgeteilt werden müssen, insbesondere die Lern- und Ausbildungsziele. Langzeitarbeitslose, die seit über einem Jahr bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet sind, haben erst sechs Monate nach Wiederaufnahme einer Tätigkeit das Recht auf einen Mindestlohn. Auch diese Regelung haben die Gewerkschaften von Anfang an kritisiert, weil Drehtüreffekte zu befürchten sind: Nach dem Motto „Heuern und Feuern“ könnten Arbeitgeber alle sechs Monate einen neuen Langzeitarbeitslosen einstellen, um so die Zahlung des Mindestlohns zu vermeiden.
Nein. Ein Ehrenamt ist in der Regel als freiwilliges öffentliches Amt zu verstehen, das nicht auf Entgelt ausgerichtet ist. Insofern erhalten Personen, die ein Ehrenamt ausüben, auch keinen Lohn, sondern allenfalls eine Entschädigung für den entstandenen Aufwand. Nach § 22 Abs. 3 des Mindestlohngesetzes ist ehrenamtliche Tätigkeit somit vom Mindestlohn ausgenommen. Der Gesetzgeber hat aber klargestellt, dass nur ehrenamtliche Tätigkeit im engeren Sinn darunter fällt. Es darf nicht die Erwartung der finanziellen Gegenleistung im Vordergrund stehen und die Tätigkeit muss auf das Allgemeinwohl ausgerichtet sein. Wenn dies gegeben ist, können auch mehrere Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt werden. Der Gesetzgeber will damit vor allem die Arbeit von Vereinen, im Sportbereich, Musikgruppen usw. nicht beinträchtigen. Die Vergütung dieser Tätigkeiten erfolgt häufig über die sogenannte Übungsleiterpauschale bzw. den Ehrenamtsfreibetrag. So müssen sogenannte „ehrenamtliche“ Tätigkeiten etwa in der Altenpflege, im Gesundheitswesen oder in der Erziehung, die im Rahmen eines Minijobs verrichtet werden, mindestens mit 8,50 Euro pro Stunde vergütet werden, weil es sich eben nicht um ein Ehrenamt handelt. Wer Übungsleiterpauschalen bekommt, wird steuerlich begünstigt. Ob auch Anspruch auf Mindestlohn besteht, kommt auf den Einzelfall an. Auch wenn diese Tätigkeit aus steuerlichen Gründen als ehrenamtlich bezeichnet wird, kann sie eine Arbeitstätigkeit sein.
In einigen Branchen ist es den Gewerkschaften gelungen, tarifliche Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz durchzusetzen. Diese Löhne wurden von der Bundesregierung per Rechtsverordnung für die Beschäftigten einer Branche allgemein verbindlich erklärt. Arbeitnehmer*innen in diesen Branchen, die persönlich unter den Geltungsbereich des Mindestlohn-Tarifvertrags fallen, dürfen zwingend keinen geringeren Stundenlohn erhalten – unabhängig davon, ob sie von inländischen Arbeitgebern beschäftigt werden oder von Arbeitgebern aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland entsandt worden sind.
Ja, auch Volljährige mit geringfügiger Beschäftigung (bis zu 520 Euro im Monat) haben Anspruch auf den gesetzlich gültigen Mindestlohn, unabhängig davon, wie viele Stunden pro Woche sie arbeiten. Auch sogenannte Kleinunternehmer (die im Rahmen der Steuergesetze von der Zahlung der Umsatzsteuer befreit sind) müssen ihren Beschäftigten den geltenden Mindestlohn zahlen.
Zuständig für die Einhaltung des Gesetzes ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), die beim Zoll angesiedelt ist. Sie hat auch bisher schon die Branchenmindestlöhne auf Einhaltung kontrolliert. Um die neuen Aufgaben bewältigen zu können, hat die Regierung bei Einführung des gesetzlichen Mindestlohns angekündigt, dass das Personal bei der FKS um 1.600 Stellen aufgestockt werden soll. Allerdings waren bereits in der Vergangenheit rund 500 Stellen nicht besetzt, zudem müssen Beschäftigte mit dieser spezifischen Aufgabe immer auch ausgebildet werden. Die nötigen Kontrollen waren daher mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2015 noch nicht gewährleistet. Inzwischen wurden aber wiederholt Verstöße gegen das Gesetz festgestellt. In Betrieben mit Betriebsräten achten diese nach Kräften auf die Einhaltung des Mindestlohns.
Die Mindestlohnkommission berät nachlaufend zu den Tarifverhandlungen alle zwei Jahre über eine Anpassung des Mindestlohns. Die Kommission besteht aus Vertreter*innen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie Sachverständigen aus der Wissenschaft. Am Ende befindet die Bundesregierung darüber, ob sie den gefundenen Kompromiss per Rechtsverordnung in Kraft setzt. Erstmals hat die Kommission im Jahr 2016 getagt und über die Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Januar 2017 beraten.
Nein. Auch Rentnerinnen und Rentner haben Anspruch auf den geltenden Mindestlohn, wenn sie sich zu ihrer Rente etwas dazuverdienen.
Ja. Der gesetzliche Mindestlohn wird nicht nach Regionen differenziert. Insgesamt haben 17,8 Prozent, also fast ein Fünftel aller Beschäftigten, Stand Oktober 2022 einen gesetzlichen Anspruch auf den Mindestlohn. Ausgenommen sind Auszubildende und Schüler*innen, die neben der Schule einen Minijob machen. Während die Quote in Ostdeutschland bei fast 30 Prozent liegt, profitieren in Westdeutschland, inklusive Berlin, gut 16 Prozent der Beschäftigten. So das Ergebnis einer Studie des WSI vom November 2022. Die Studie blickt dabei auch auf die einzelnen Landkreise in Deutschland. Demnach haben in den Kreisen Sonneberg in Thüringen 44 Prozent aller Beschäftigten einen Anspruch auf 12 Euro Mindestlohn, in Teltow-Fläming (Brandenburg) sind es 43,1 Prozent, Saale-Orla (Thüringen) 40 Prozent und im Kreis Vorpommern-Rügen 39 Prozent. Am niedrigsten ist der Anteil der Beschäftigten, die noch unter 12 Euro die Stunde verdient haben, in Wolfsburg (7,9 Prozent), Erlangen (8,1 Prozent), dem Landkreis München (9,7 Prozent) und in Stuttgart (10,3 Prozent). Schaut man auf die Bundesländer, ist in Mecklenburg-Vorpommern der Anteil der Beschäftigten, die jetzt 12 Euro Mindestlohn erhalten, mit 31,2 Prozent am höchsten, gefolgt von Thüringen (30,8 Prozent). In absoluten Zahlen leben allerdings die meisten Beschäftigten, die Anspruch auf die Mindestlohnerhöhung haben in den bevölkerungsreichsten Bundesländern Nordrhein-Westfalen (rund 1,3 Millionen Beschäftigte; Quote 16,8 Prozent) und Bayern (gut 930.000, Quote 14,7 Prozent). Unter den deutschen Millionenstädten weist Berlin mit 17,8 Prozent und knapp 305.000 Personen die höchste Quote und absolute Zahl der Betroffenen auf. Es folgen Hamburg (14,7 Prozent; gut 160.000), Köln (14,5 Prozent; gut 94.000 Personen) und München (11,1 Prozent; gut 107.000).
Ja, alle Beschäftigten, die in Deutschland arbeiten, haben seit dem 1. Januar 2015 grundsätzlich Anspruch auf den geltenden Mindestlohn. Das gilt auch, wenn die Beschäftigten oder die Unternehmen, bei denen sie angestellt sind, aus dem Ausland kommen.
Ja. Wie alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigte haben auch Taxifahrer*innen Anspruch auf den Mindestlohn. Anders sieht es bei den Selbstständigen aus – egal in welcher Branche: Für sie gilt der gesetzliche Mindestlohn nicht.
Der Gesetzgeber hatte eine Ausnahme für Zeitungszusteller*innen festgelegt. Sie hatten seit dem 1. Januar 2015 mindestens Anspruch auf 75 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns (6,38 Euro) und ab dem 1. Januar 2016 auf 85 Prozent (7,23 Euro). Ab dem 1. Januar 2017 haben sie dann auch mindestens 8,50 Euro pro Stunde erhalten. Seit 2018 bekommen die Zeitungszusteller*innen den Mindestlohn, der von der Mindestlohnkommission jeweils beschlossen wird. Was bedeutet das? Seit 2018 gilt ein einheitlicher Mindestlohn für alle.
Ab Januar 2015 hatten alle Beschäftigten grundsätzlich zunächst 8,50 Euro brutto pro Stunde erhalten. Seither ist er mnehrfach gestiegen, aktuell liegt er bei 12,41 Euro.
Während einer Übergangsfrist zwischen 01.01.2015 und 31.12.2016 konnte über Tarifverträge, die für allgemein verbindlich erklärt wurden, von den 8,50 Euro nach unten abgewichen werden. Allgemein verbindliche Tarifverträge gelten immer für alle Beschäftigten einer Branche, unabhängig davon, ob der einzelne Betrieb selbst einen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Von den 2015 eingeführten 8,50 Euro Mindestlohn abweichende Tarifverträge gab es zum Beispiel bei Friseuren, Beschäftigten in der Fleischindustrie, in der Land- und Forstwirtschaft und im Gartenbau. Allgemein verbindliche Branchenmindestlöhne, die bereits existierten und höher als 8,50 Euro lagen (z.B. im Bauhauptgewerbe) hatten natürlich weiterhin Bestand.
Beschäftigte, die befristet in einer Saison – zum Beispiel im Hotel- und Gaststättengewerbe oder in der Landwirtschaft – arbeiten, erhalten den Mindestlohn. Wenn die Saisonbeschäftigung weniger als 50 Tage im Jahr ausgeübt wird, muss für diese Tätigkeit keine Sozialversicherung gezahlt werden. Das gilt aber nur, wenn die Beschäftigung nur gelegentlich und nicht berufsmäßig ausgeübt wird. Das heißt, diese Tätigkeit darf nicht allein für die Sicherung des Lebensunterhalts bestimmend sein. Deswegen können Personen, die arbeitslos sind, diese Ausnahme nicht in Anspruch nehmen. Da weder Arbeitgeber noch Beschäftigte für die saisonale Beschäftigung Sozialversicherungsbeiträge zahlen, stellt sich die Frage, wer die soziale Sicherung übernimmt. Es sollte in jedem Fall sichergestellt sein, dass eine Kranken- und Unfallversicherung besteht. Dies muss mit dem Arbeitgeber geklärt werden. Arbeitgeber können zudem Kosten für Essen und Unterkunft in angemessenem Rahmen vom Mindestlohn abziehen. Auch ein Wegegeld kann unter bestimmten Umständen vom Mindestlohn abgezogen werden.
Jede*r muss sich an das Gesetz halten, sonst drohen Strafen/Bußgelder. Zunächst sollte der Vorgesetzte auf das Mindestlohngesetz hingewiesen werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) informiert über den Mindestlohn. Telefonisch gibt das Bürgertelefon des BMAS montags bis donnerstags von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr unter 030/60 28 00 28 zum Thema Mindestlohn Auskunft. Kommt es hart auf hart, muss leider jede*r einzelne betroffene Beschäftigte den Arbeitgeber auf Zahlung des Mindestlohns verklagen. Gewerkschaftsmitglieder können sich bei ihrer Gewerkschaft kostenlos rechtlich beraten lassen und erhalten im Ernstfall Rechtsschutz.
Gegner branchenspezifischer Mindestlöhne und eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns führen immer wieder an, sie würden Arbeitsplätze vernichten. Tatsächlich haben weder Branchenmindestlöhne noch der gesetzliche Mindestlohn zum Abbau von Beschäftigung geführt. Vielmehr hat sich die Einkommenssituation von Millionen Beschäftigten im Niedriglohnsektor deutlich verbessert. Über 80 Prozent der Bevölkerung sprechen sich längst für einen Mindestlohn aus. Vor allem ver.di und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) haben über die Jahre, in denen sie sich für die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland eingesetzt haben, dafür gesorgt, dass der Öffentlichkeit bewusst geworden ist, dass viel zu viele Menschen für Löhne schuften müssen, die zum Leben nicht reichen. Sie haben öffentlich gemacht, dass Niedriglöhne vor allem ein lohnendes Geschäftsmodell für Arbeitgeber sind, das wir alle über unsere Steuergelder mitfinanzieren.
Existenzsichernde Lohnuntergrenzen, also Mindestlöhne, gibt es auch in vielen anderen Ländern. Die gesetzlichen Mindestlöhne in der Europäischen Union sind 2024 kräftig gestiegen: Die 22 EU-Staaten mit einem allgemeinen Mindestlohn erhöhten diesen vor dem Hintergrund hoher Inflationsraten im Mittel (Median) um 9,7 Prozent. Besonders stark fielen die nominalen Zuwächse in vielen osteuropäischen Ländern aus, aber auch die Niederlande (+12,9%) und Irland (+12,4%) haben ihren jeweiligen Mindestlohn deutlich angehoben. In Deutschland fiel die Anhebung zum Jahreswechsel mit einem nominalen Plus von nur 3,4 Prozent auf nun 12,41 Euro hingegen deutlich kleiner aus; EU-weit stieg der Mindestlohn nur in Belgien (+2%) noch langsamer. So laut dem neuen internationalen Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Alle Mitgliedsstaaten haben nur noch bis zum 15. November 2024 Zeit, die EU-Mindestlohnrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinie nennt als Referenzgrößen für einen angemessenen Mindestlohn unter anderem mindestens 60 Prozent vom Medianlohn im jeweiligen Land oder 50 Prozent vom Durchschnittslohn. Die Schwelle von 60 Prozent des Medians erreicht oder überschritten haben in der EU lediglich Portugal, Slowenien und Frankreich. Weitere Staaten orientieren sich bei Mindestlohnanhebungen aber bereits explizit an diesem Niveau. Der Mindestlohn in Deutschland hat sich durch die geringfügige Anhebung und die Entwicklung des allgemeinen Lohnniveaus wieder von dieser Zielmarke entfernt und liegt erheblich darunter. Bereits 2023 wäre zur Erfüllung des 60-Prozent-Kriteriums ein Mindestlohn von 13,61 Euro nötig gewesen, im laufenden Jahr von rund 14 Euro, so Berechnungen der Forscher auf Basis von aktuellen Eurostat-Daten. Die jüngsten Mindestlohnanhebungen relativieren sich, wenn die gestiegenen Lebenshaltungskosten gegengerechnet werden. Real stiegen die Mindestlöhne in 14 EU-Ländern nach dieser Rechenweise gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt um 1 Prozent oder mehr, in sieben davon sogar um mindestens 5 Prozent. Im EU-Mittel lag der Kaufkraftgewinn des Mindestlohns bei 2,5 Prozent. Deutschland gehört zu einer Gruppe von nur sechs Ländern, in denen der Mindestlohn real um 1 Prozent oder mehr fiel.
Mit einem Mindestlohn von aktuell 12,41 Euro steht Deutschland unter den EU-Ländern an Position vier, im Vorjahr hatte Deutschland noch den 2. Rang inne Ein deutlich höherer Mindestlohn gilt in Luxemburg (14,86 Euro) und den Niederlanden (13,27 Euro), auch Irland (12,70 Euro) liegt vor Deutschland. Kein gesetzlicher Mindestlohn existiert in Österreich, den nordischen Ländern und Italien. In diesen Staaten besteht aber eine sehr hohe Tarifbindung, die auch vom Staat stark unterstützt wird. Faktisch ziehen dort also Tarifverträge eine allgemeine Untergrenze. Parallel zu den Kriterien für gesetzliche Mindestlöhne fordert die EU-Richtlinie von Staaten, in denen für weniger als 80 Prozent der Arbeitnehmer*innen Tarifbindung besteht, Aktionspläne zur Stärkung der Tarifbindung. Das betrifft auch Deutschland, wo lediglich rund die Hälfte der Beschäftigten mit Tarifbindung arbeiten. Das ist sinnvoll, denn Tarifverträge sind der beste Schutz gegen Niedriglöhne. In den süd- und den osteuropäischen EU-Staaten liegen die Mindestlöhne weitgehend niedriger als in den meisten westeuropäischen Staaten. Anders als noch vor einigen Jahren unterscheiden sich die süd- und die osteuropäischen Länder nicht mehr so stark voneinander. So reichen die Lohnuntergrenzen von 7,25 Euro in Slowenien, 6,87 Euro in Spanien und umgerechnet 6,10 Euro in Polen über beispielsweise 5,65 Euro in Litauen, 4,85 Euro in Portugal oder 4,69 Euro in Tschechien bis zu 4,51 Euro in Griechenland. Die EU-weit niedrigsten Mindestlöhne gelten in Ungarn mit umgerechnet 4,02 Euro, Rumänien mit 3,99 Euro und Bulgarien mit 2,85 Euro.
Auch außerhalb der EU sind Mindestlöhne weit verbreitet. Exemplarisch betrachtet das WSI die Mindestlöhne in 16 Nicht-EU-Ländern. Sie reichen von, jeweils umgerechnet, 14,26 Euro in Australien, 12,88 Euro in Neuseeland, 11,98 Euro in Großbritannien oder 10,88 Euro in Kanada über 6,98 Euro in Korea oder 6,59 im japanischen Landesdurchschnitt bis zu 3,98 Euro in der Türkei, 2,44 Euro in Argentinien, 1,20 Euro in Russland, 1,19 Euro in Brasilien bis zu 1,08 Euro in der Ukraine. In den USA wurde der Mindestlohn seit 2009 nicht mehr erhöht wurde und reicht mit umgerechnet 6,70 Euro nicht zum Überleben. Allerdings existieren in rund 30 US-Bundesstaaten und Washington DC höhere regionale Lohnuntergrenzen. So beträgt der Mindestlohn in der Hauptstadt umgerechnet 15,72 Euro, in Kalifornien umgerechnet 14,80 Euro und im Bundesstaat New York 13,87 Euro. In Neuseeland beträgt der Mindestlohn aktuell umgerechnet 12,88 Euro und liegt damit auf westeuropäischem Niveau.