Mindestlohn: Warum er auf 15 Euro steigen muss

Seit dem 1. Januar 2025 gibt es in Deutschland für keine Arbeitsstunde weniger als 12,82 Euro. Auf diese Summe stieg der gesetzliche Mindestlohn mit dem Jahreswechsel. Millionen Beschäftigte, mehrheitlich Frauen, leben vom Mindestlohn. ver.di fordert unter Verweis auf eine EU-Richtlinie eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde. Warum es einen gesetzlichen Mindestlohn braucht, warum er deutlich steigen muss, und was Beschäftigte noch wissen müssen

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Bei der Durchsetzung des Mindestlohns bleibt in Deutschland noch viel zu tun
03.01.2025

INHALT

Aktuelles 

Bei 12,82 Euro pro Stunde liegt der gesetzliche Mindestlohn seit dem 1. Januar 2025. Doch das ist nicht genug. Seit November 2024 mussten die EU-Staaten eine Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Nach der Richtlinie soll der Mindestlohn in den Mitgliedsstaaten mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommns betragen. In Deutschland wären das zur Zeit etwa 15 Euro. 

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, hat bereits 2024 angekündigt, dass die Lohnuntergrenze in Deutschland 2026 deutlich steigen soll. Die Umsetzung der Richtlinie sieht der Minister als erfüllt an, wenn die Mindestlohnkommission eine entsprechende Erhöhung vorschlägt. Sie wird zum 30. Juni ihre Empfehlung bekanntgeben. Alle zwei Jahre ist ihre Expertise gefragt.

Zuletzt hat sie 2023 empfohlen, dass der Mindestlohn von den damaligen 12 Euro aus in den beiden Folgejahren um je 41 Cent steigen soll. Die Entscheidung fiel allerdings gegen die Stimmen der Gewerkschaftsvertreter*innen in der Kommission. Sie hatten sich für eine deutlichere Erhöhung ausgesprochen. ver.di fordert akutell eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde. DAbei stützt sich die Gewerkschaft ebenfalls auf die Umsetzung der EU-Richtlinie. 

 

„Da die durchschnittlichen Löhne weiter steigen werden, braucht es 2026 einen Mindestlohn von 15 Euro die Stunde. Insofern empfehle ich jeder Partei, die von breiten Teilen der Bevölkerung gewählt werden will, im Bundestagswahlkampf deutlich zu machen, dass sie für 15 Euro die Stunde eintritt.“

Frank Werneke, ver.di-Vorsitzender

In ihren Wahlprogrammen für die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 wollen Bündnis 90/Die Grünen, Linkspartei und BSW den gesetzlichen Mindestlohn so schnell wie möglich auf zunächst 15 Euro anheben und ihn dann nach der Entwicklung der Inflation anheben. Bei SPD, Union, FDP und AfD finden sich keine konkreten Vorstellungen von der Höhe. Allerdings hat sich beispielsweise Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, schon für 15 Euro ausgesprochen. Union und FDP betonen die Unabhängigkeit der Mindestlohn-Kommission, die AfD will den Mindestlohn beibehalten. 

 

Die EU-Mindestlohn-Richtlinie

Im Oktober 2022 hat der EU-Rat die Europäische Mindestlohnrichtlinie angekommen. Sie enthält eine Reihe von neuen Kriterien für die untere Lohngrenze. Hierzu zählen unter anderem die allgemeine Lohnentwicklung, die Kaufkraft des Mindestlohns und die Entwicklung der Produktivität. Als wichtigste Orientierungsgröße für ein angemessenes Mindestlohniveau empfiehlt die Europäische Mindestlohnkommission aber, dass der Mindestlohn nicht weniger als 60 Prozent des sogenannten Medianlohns betragen soll. Auch die europäischen Gewerkschaften hatten sich für die Einführung einer europäischen Lohnuntergrenze stark gemacht.

Bei der Umsetzung der Europäischen Mindestlohnrichtlinie hatten die Mitgliedsstaaten erhebliche Freiheiten. Die deutsche Umsetzung betrachtet das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. als sehr oberflächlich. Prinzipiell liefert die EU-Richtlinie begründete Richtgrößen dafür, wie hoch der gesetzliche Mindestlohn sein sollte, um als „angemessen“ zu gelten. Nach WSI-Berechnungen müssten es in Deutschland daher aktuell schon 15,12 Euro sein. Allerdings hat die Bundesregierung zuletzt erklärt, dass aus ihrer Sicht die bestehende Gesetzeslage ausreiche und keine gesonderten Anpassungen nötig seien und auf die Mindestlohn-Kommission verwiesen.

Kennzeichnend für das „deutsche Mindestlohnregime“ ist laut der WSI-Studie, dass die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns nach der politischen Festlegung seines Ausgangsniveaus im Jahr 2015 nicht durch den Staat, sondern durch die Mindestlohnkommission bestimmt wird. Die einzige Ausnahme habe die außerordentliche Mindestlohnanpassung im Herbst 2022 gemacht, bei der unter anderem mit Verweis auf die Europäische Mindestlohnrichtline das Mindestlohnniveau strukturell erhöht wurde, nämlich auf 12 Euro die Stunde. Das Grundproblem der Mindestlohnpolitik in Deutschland besteht laut dem WSI darin, dass es mit der Orientierung an den Tariflöhnen zwar über ein Kriterium zur Entwicklung des Mindestlohns verfügt, Kriterien für die angemessene Höhe des Mindestlohns jedoch fehlen. In diese Regelungslücke stößt die Europäische Mindestlohnrichtlinie mit ihrer Empfehlung für einen Referenzwert von 60 Prozent des Medianlohns.

Tatsächlich schwankt der deutsche Mindestlohn aber bereits seit seiner Einführung zwischen 46 und 48 Prozent des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten. Nur die Anpassung auf 12 Euro außer der Reihe hat den Mindestlohn zeitweilig auf knapp 52 Prozent des Medianlohns ansteigen lassen. Doch selbst damit lag der Mindestlohn in Deutschland nach Berechnung des WSI in der Regel mindestens 2 Euro unterhalb der Angemessenheitsschwelle der Europäischen Mindestlohnrichtlinie. Um 60 Prozent des Medianlohns zu entsprechen, hätte der gesetzliche Mindestlohn schon bei seiner Einführung im Jahr 2015 bei 10,59 Euro liegen und im Jahr 2023 bereits auf rund 14 Euro angehoben werden müssen.

 

Wie hoch ist der Mindestlohn aktuell?

Seit 1. Januar 2025: 12,82 Euro

Bei seiner Einführung zum 1. Januar 2015 lag die Höhe bei 8,50 Euro pro Stunde.

Wer profitiert vom Mindestlohn in Deutschland?

Der gesetzliche Mindestlohn macht sich für die Beschäftigten in Deutschland generell bezahlt. Seit seiner Einführung haben sich die Einkommen insgesamt betrachtet deutlich erhöht. Zu diesem Ergebnis ist ebenfalls eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung gekommen. Besonders profitiert haben demnach Beschäftigte mit niedrigem Einkommen. Und: In Ostdeutschland sind die Zuwächse am größten. Der Mindestlohn hat so bisher dazu beigetragen, Lohnungleichheiten in verschiedenen Regionen Deutschlands zu verringern. Ein Selbstläufer sei das laut der WSI-Studie keinesfalls. Wenn es nämlich nur geringe Erhöhungen gibt wie aktuell, schwäche das den positiven Effekt des Mindestlohns. Deshalb brauche es laut des WSI stärkere Anhebungen.

Während die Lohnentwicklung im unteren Einkommensbereich zwischen 2008 und 2013 nahezu stagnierte, gab es nach der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 deutliche Zuwächse, insbesondere in Ostdeutschland: Im Zeitraum von 2013 bis 2018 stiegen die individuellen Einkommen der unteren 30 Prozent auf der Lohnskala im Osten um durchschnittlich gut 21 Prozent, im Westen um rund 12 Prozent. Das höhere Plus in Ostdeutschland hat seine Ursache darin, dass dort mehr Menschen im Niedriglohnsektor arbeiten als in Westdeutschland, so die Erklärung des WSI.

Je niedriger die Einkommen, desto höher die Zuwächse. Die Löhne von ostdeutschen Beschäftigten mit einem Monatsverdienst von knapp 1.300 Euro stiegen so bis 2018 preisbereinigt um durchschnittlich sogar gut 31 Prozent. Aber auch die Einkünfte Beschäftigter mit relativ hohen Einkommen sind gestiegen: Zwischen 2013 und 2018 betrug der Anstieg bei den obersten 30 Prozent der Löhne im Osten durchschnittlich um rund 14 Prozent, im Westen um 11 Prozent.   

 

Zehn Jahre Mindestlohn in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte

Am 1. Januar 2025 feierte der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland seinen 10. Geburtstag. Eingeführt wurde die Lohnuntergrenze, damals in einer Höhe von 8,50 Euro pro Stunde, Anfang 2015. Doch bis dahin war es ein langer Weg.

Beim Start der „Initiative Mindestlohn“ von ver.di und NGG im März 2006 lautete die zentrale Forderung noch „Kein Lohn unter 7,50 Euro pro Stunde“.Sie wurde auf 4.000 Großflächenplakaten in ganz Deutschland beworben und über einen Blog kommuniziert. In der Europäischen Union bewegte sich Deutschland damit im oberen Drittel. Nur in Luxemburg lag der gesetzliche Mindestlohn bereits bei über 12 Euro, eine Höhe, die ver.di möglichst schnell auch hierzulande erreichen wollte.

Zudem: Die Bundesregierung war vor der Verabschiedung des Gesetzes dem Druck aus der Wirtschaft erlegen und hat Ausnahmen für Langzeitarbeitslose, Unter-18-Jährige und Beschäftigte bestimmter Branchen wie der Zeitungszustellung ins Gesetz geschrieben. Aktuell sind Pflichtpraktikanten, Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Auszubildende, ehrenamtlich tätige Mitarbeiter*innen, Langzeitarbeitslose, Freiberufler*innen und Selbstständige vom Mindestlohn ausgeschlossen.

 

Den größten Sprung macht der gesetzliche Mindestlohn am 1. Oktober 2022. Damals stieg er von 9,36 Euro auf 12 Euro. Diese Steigerung ging nicht auf eine Empfehlung der Mindestlohnkommission zurück, die Bundesregierung wollte damit die Folgen der Inflation auffangen. Dennoch war der deutliche Sprung damals auch für ver.di ein Grund zur Freude.  

8,6 Millionen Beschäftigte haben vor der Erhöhung des Mindestlohns im Oktober 2022 weniger als 12 Euro brutto pro Stunde verdient. Rund zwei Drittel dieser 8,6 Millionen Menschen sind Frauen. Sie haben unmittelbar von dem höheren Mindestlohn profitiert; ver.di hatte seit langem die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro gefördert. Ein höheres Einkommen würden in der Mehrheit zudem Beschäftigte mit Berufen erzielen, die eine abgeschlossene Ausbildung erfordern.

Die Schwarzmalerei der Wirtschaft, die vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland das Aus für etliche Unternehmen und den massiven Verlust von Arbeitsplätzen verkündete und mit jeder Erhöhung des Mindestlohns ins gleiche Horn bläst, hat sich als Trugbild erwiesen. Denn nichts davon ist eingetreten. Das zeigt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Mindestlohnkommission von Anfang August 2022. Ganz im Gegenteil geht aus der Untersuchung hervor, dass manche Branchen sogar produktiver geworden sind.

Tatsächlich haben die Einführung des Mindestlohns Anfang 2015 und seine erste Erhöhung 2017 kaum zu Marktaustritten von Unternehmen geführt, auch zu diesem Ergebnis kommt die Studie des ZEW. Demnach gaben zwar Kleinstunternehmen mit bis zu vier Beschäftigten in den Arbeitsmarktregionen auf, wo viele Mitarbeiter zuvor weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienten, also den Stundenlohn, mit dem der Mindestlohn 2015 eingeführt wurde. Gezeigt habe sich das laut Studie vor allem in Ostdeutschland, wo der Bruttodurchschnittslohn 2015 wesentlich niedriger gewesen sei als im Westen. Auf die Zahl der Arbeitslosen hat das dennoch keine Auswirkungen gehabt. Auch hier ist eine gegenteilige Entwicklung zu verzeichnen: Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist gestiegen. Und auch nach dem Anstieg auf 12 Euro die Stunde führte das keineswegs zu Entlassungen oder Unternehmenspleiten. 

 

Warum wir den Sprung auf 12 Euro Mindestlohn gefeiert haben

 

Auf Arbeit – der ver.di-Podcast

Der Mindestlohn ist 2022 einmalig um 22 Prozent (!) auf 12 Euro gestiegen. Das ist ein weiteres Kapitel in der Erfolgsgeschichte des gesetzlichen Mindestlohns.

In unserem ver.di-Podcast „Auf Arbeit“ hat sich deshalb unsere Moderatorin Jenny Mansch einen spannenden Gast zum Thema ins Studio geholt: Andrea Kocsis. Sie ist stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Mitglied in der Mindestlohn-Kommission, dem Gremium aus Arbeitgeber*innen, Wissenschaftler*innen und Gewerkschafter*innen, das über den Mindestlohn entscheidet. Andrea gibt einen spannenden und hörenswerten Einblick in die Geschichte des Mindestlohns, welche Rolle ver.di dabei spielte und räumt dabei auch gleich mit ein paar Mythen und Behauptungen rund um den Mindestlohn auf.

 Viel Spaß beim Anhören!

 

Was macht die Mindestlohnkommission?

Die Mindestlohnkommission der Bundesregierung hat neun Mitglieder, neben dem Vorsitzenden und zwei Wissenschaftler*innen gehören ihr je drei Vertreter*innen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite an. Zu letzteren zählt derzeit die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Alle zwei Jahre legt die Kommission bis spätestens zum 30. Juni einen Bericht vor und gibt eine Empfehlung für die Lohnuntergrenze in den folgenden beiden Jahren ab. Im Sommer 2025 muss sie eine Empfehlung darüber abgeben, wie sich der Mindestlohn 2026 und 2027 entwickeln soll.

 

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Als Mitglied genießen Sie alle Vorteile unserer großen Organisation und die Solidarität von mehr als zwei Millionen Kolleginnen und Kollegen.

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Ja, ich will ver.di

 

Die wichtigsten FAQs zum gesetzlichen Mindestlohn

 

  • 1. Was ist ein Mindestlohn?

    Un­ter ei­nem Min­dest­lohn ver­steht man einen Lohn, der durch ein Ge­setz oder einen von Ge­werk­schaf­ten aus­ge­han­del­ten Ta­rif­ver­trag fest­ge­legt wird. Die­ser Min­dest­lohn darf dann nicht mehr un­ter­schrit­ten wer­den. Da­bei kann sich die Re­ge­lung über einen Min­dest­lohn ent­we­der auf den Stun­den­lohn oder den Mo­nats­lohn be­zie­hen. Be­vor zum 1.1.2015 in Deutsch­land der ge­setz­li­che Min­dest­lohn ein­ge­führt wur­de, gab es be­reits für ei­ni­ge Bran­chen einen so­ge­nann­ten Bran­chen­min­dest­lohn. So zum Bei­spiel in fol­gen­den Bran­chen: Ab­fall­wirt­schaft, Pfle­ge, Bau­haupt­ge­wer­be, Berg­bau­s­pe­zi­al­ar­bei­ten, Wä­sche­rei­dienst­leis­tun­gen, Ob­jekt­kun­den­ge­schäft, Dach­decker-, Elek­tro-, Ge­bäu­de­r­ei­ni­ger- so­wie Ma­ler- und La­ckie­rer­hand­werk. Be­reits 1970 hat­te die In­ter­na­tio­na­le Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on (I­LO) ei­ne Ab­sichts­er­klä­rung zur Ein­füh­rung von Ver­fah­ren zur ver­trag­li­chen Fest­le­gung von Min­dest­löh­nen be­schlos­sen. Im Jahr 2000 hat­ten erst 51 der 181 ILO-Mit­glieds­staa­ten ei­ne sol­che Ab­sichts­er­klä­rung zur Ein­füh­rung von Min­dest­löh­nen in Kraft ge­setz­t. In­zwi­schen gibt es laut der ILO in über 90 Pro­zent ih­rer Mit­glieds­staa­ten Min­dest­löh­ne.


Erkläre mal einem Kind, was Gewerkschaften so machen.

Die verstehen das nämlich genauso wenig wie Menschen, die mit Gewerkschaften bisher noch nichts zu tun hatten. Unsere Kinderreporter wollten diesmal wissen, was denn genau der Mindestlohn ist. Gewerkschaft für Anfänger.


  • 2. Welche Personengruppen sind vom gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen?

    An­ders als bei un­se­ren eu­ro­päi­schen Nach­barn, die pro­zen­tua­le Ab­stu­fun­gen für einen Ju­gend­min­dest­lohn gel­tend ma­chen, sind Min­der­jäh­ri­ge in Deutsch­land kom­plett vom Min­dest­lohn aus­ge­nom­men. Auch für Aus­zu­bil­den­de und jun­ge Leu­te in Ein­stiegs­qua­li­fi­zie­run­gen (e­gal, ob öf­fent­lich ge­för­dert oder ta­rif­lich ver­ein­bar­t) oder Pflicht­prak­ti­ka im Rah­men ei­ner Aus­bil­dung oder ei­nes Stu­di­ums gilt der Min­dest­lohn nicht, da es sich hier­bei um ein Lern­ver­hält­nis han­del­t. Azu­bis er­hal­ten ta­rif­lich aus­ge­han­del­te Aus­zu­bil­den­den­ver­gü­tun­gen. Auch wenn ein Aus­zu­bil­den­der über 18 Jah­re alt sein soll­te, be­steht im Aus­bil­dungs­ver­hält­nis kein An­spruch auf Min­dest­lohn, wohl aber für einen Ne­ben­job. Men­schen, die ein frei­wil­li­ges Ori­en­tie­rungs-Prak­ti­kum (vor Aus­bil­dung oder Stu­di­um) ma­chen, ha­ben erst nach ei­ner Dau­er von drei Mo­na­ten An­spruch auf den Min­dest­lohn. Für al­le Prak­ti­ka gilt aber, dass die Ver­trags­in­hal­te vom Ar­beit­ge­ber schrift­lich mit­ge­teilt wer­den müs­sen, ins­be­son­de­re die Lern- und Aus­bil­dungs­zie­le. Lang­zeit­ar­beits­lo­se, die seit über ei­nem Jahr bei der Bun­de­s­agen­tur für Ar­beit ge­mel­det sin­d, ha­ben erst sechs Mo­na­te nach Wie­der­auf­nah­me ei­ner Tä­tig­keit das Recht auf einen Min­dest­lohn. Auch die­se Re­ge­lung ha­ben die Ge­werk­schaf­ten von An­fang an kri­ti­sier­t, weil Drehtür­ef­fek­te zu be­fürch­ten sin­d: Nach dem Mot­to „Heu­ern und Feu­ern“ könn­ten Ar­beit­ge­ber al­le sechs Mo­na­te einen neu­en Lang­zeit­ar­beits­lo­sen ein­stel­len, um so die Zah­lung des Min­dest­lohns zu ver­mei­den.


  • 3. Erhalte ich bei ehrenamtlicher Tätigkeit den gesetzlichen Mindestlohn?

    Nein. Ein Eh­ren­amt ist in der Re­gel als frei­wil­li­ges öf­fent­li­ches Amt zu ver­ste­hen, das nicht auf Ent­gelt aus­ge­rich­tet ist. In­so­fern er­hal­ten Per­so­nen, die ein Eh­ren­amt aus­üben, auch kei­nen Lohn, son­dern al­len­falls ei­ne Ent­schä­di­gung für den ent­stan­de­nen Auf­wan­d. Nach § 22 Ab­s. 3 des Min­dest­lohn­ge­set­zes ist eh­ren­amt­li­che Tä­tig­keit so­mit vom Min­dest­lohn aus­ge­nom­men. Der Ge­setz­ge­ber hat aber klar­ge­stell­t, dass nur eh­ren­amt­li­che Tä­tig­keit im en­ge­ren Sinn dar­un­ter fäll­t. Es darf nicht die Er­war­tung der fi­nan­zi­el­len Ge­gen­leis­tung im Vor­der­grund ste­hen und die Tä­tig­keit muss auf das All­ge­mein­wohl aus­ge­rich­tet sein. Wenn dies ge­ge­ben ist, kön­nen auch meh­re­re Tä­tig­kei­ten ne­ben­ein­an­der aus­ge­übt wer­den. Der Ge­setz­ge­ber will da­mit vor al­lem die Ar­beit von Ver­ei­nen, im Sport­be­reich, Mu­sik­grup­pen us­w. nicht bein­träch­ti­gen. Die Ver­gü­tung die­ser Tä­tig­kei­ten er­folgt häu­fig über die so­ge­nann­te Übungs­lei­ter­pau­scha­le bzw. den Eh­ren­amts­frei­be­trag. So müs­sen so­ge­nann­te „eh­ren­amt­li­che“ Tä­tig­kei­ten et­wa in der Al­ten­pfle­ge, im Ge­sund­heits­we­sen oder in der Er­zie­hung, die im Rah­men ei­nes Mi­ni­jobs ver­rich­tet wer­den, min­des­tens mit 8,50 Eu­ro pro Stun­de ver­gü­tet wer­den, weil es sich eben nicht um ein Eh­ren­amt han­del­t. Wer Übungs­lei­ter­pau­scha­len be­komm­t, wird steu­er­lich be­güns­tig­t. Ob auch An­spruch auf Min­dest­lohn be­steht, kommt auf den Ein­zel­fall an. Auch wenn die­se Tä­tig­keit aus steu­er­li­chen Grün­den als eh­ren­amt­lich be­zeich­net wird, kann sie ei­ne Ar­beit­stä­tig­keit sein.


  • 4. Für wen gelten tarifliche Mindestlöhne?

    In ei­ni­gen Bran­chen ist es den Ge­werk­schaf­ten ge­lun­gen, ta­rif­li­che Min­dest­löh­ne nach dem Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz durch­zu­set­zen. Die­se Löh­ne wur­den von der Bun­des­re­gie­rung per Rechts­ver­ord­nung für die Be­schäf­tig­ten ei­ner Bran­che all­ge­mein ver­bind­lich er­klär­t. Ar­beit­neh­mer*in­nen in die­sen Bran­chen, die per­sön­lich un­ter den Gel­tungs­be­reich des Min­dest­lohn-Ta­rif­ver­trags fal­len, dür­fen zwin­gend kei­nen ge­rin­ge­ren Stun­den­lohn er­hal­ten – un­ab­hän­gig da­von, ob sie von in­län­di­schen Ar­beit­ge­bern be­schäf­tigt wer­den oder von Ar­beit­ge­bern aus an­de­ren eu­ro­päi­schen Län­dern nach Deutsch­land ent­sandt wor­den sin­d.


  • 5. Haben Minijobber Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn?

    Ja, auch Voll­jäh­ri­ge mit ge­ring­fü­gi­ger Be­schäf­ti­gung (bis zu 556 Eu­ro im Mo­nat) ha­ben An­spruch auf den ge­setz­lich gül­ti­gen Min­dest­lohn, un­ab­hän­gig da­von, wie vie­le Stun­den pro Wo­che sie ar­bei­ten. Auch so­ge­nann­te Klein­un­ter­neh­mer (die im Rah­men der Steu­er­ge­set­ze von der Zah­lung der Um­satz­steu­er be­freit sin­d) müs­sen ih­ren Be­schäf­tig­ten den gel­ten­den Min­dest­lohn zah­len.


  • 6. Wie wird kontrolliert, dass die Unternehmen tatsächlich den gesetzlichen Mindestlohn zahlen?

    Zu­stän­dig für die Ein­hal­tung des Ge­set­zes ist die Fi­nanz­kon­trol­le Schwarz­ar­beit (FKS), die beim Zoll an­ge­sie­delt ist. Sie hat auch bis­her schon die Bran­chen­min­dest­löh­ne auf Ein­hal­tung kon­trol­lier­t. Um die neu­en Auf­ga­ben be­wäl­ti­gen zu kön­nen, hat die Re­gie­rung bei Ein­füh­rung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns an­ge­kün­dig­t, dass das Per­so­nal bei der FKS um 1.600 Stel­len auf­ge­stockt wer­den soll. Al­ler­dings wa­ren be­reits in der Ver­gan­gen­heit rund 500 Stel­len nicht be­setz­t, zu­dem müs­sen Be­schäf­tig­te mit die­ser spe­zi­fi­schen Auf­ga­be im­mer auch aus­ge­bil­det wer­den. Die nö­ti­gen Kon­trol­len wa­ren da­her mit In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes am 1. Ja­nu­ar 2015 noch nicht ge­währ­leis­tet. In­zwi­schen wur­den aber wie­der­holt Ver­stö­ße ge­gen das Ge­setz fest­ge­stell­t. In Be­trie­ben mit Be­triebs­rä­ten ach­ten die­se nach Kräf­ten auf die Ein­hal­tung des Min­dest­lohns.


  • 7. Wann wird der gesetzliche Mindestlohn erhöht? Wer ist dafür zuständig?

    Die Min­dest­lohn­kom­mis­si­on berät nach­lau­fend zu den Ta­rif­ver­hand­lun­gen al­le zwei Jah­re über ei­ne An­pas­sung des Min­dest­lohns. Die Kom­mis­si­on be­steht aus Ver­tre­ter*in­nen der Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer so­wie Sach­ver­stän­di­gen aus der Wis­sen­schaft. Am En­de be­fin­det die Bun­des­re­gie­rung dar­über, ob sie den ge­fun­de­nen Kom­pro­miss per Rechts­ver­ord­nung in Kraft setz­t. Erst­mals hat die Kom­mis­si­on im Jahr 2016 ge­tagt und über die Er­hö­hung des Min­dest­lohns zum 1. Ja­nu­ar 2017 be­ra­ten.


  • 8. Sind Rentner*innen vom gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen, wenn sie jobben?

    Nein. Auch Rent­ne­rin­nen und Rent­ner ha­ben An­spruch auf den gel­ten­den Min­dest­lohn, wenn sie sich zu ih­rer Ren­te et­was da­zu­ver­die­nen.


  • 9. Gilt der Mindestlohn auch in Ostdeutschland?

    Ja. Der ge­setz­li­che Min­dest­lohn wird nicht nach Re­gio­nen dif­fe­ren­zier­t. Insgesamt haben 17,8 Prozent, also fast ein Fünftel aller Beschäftigten, Stand Oktober 2022 einen gesetzlichen Anspruch auf den Mindestlohn. Ausgenommen sind Auszubildende und Schüler*innen, die neben der Schule einen Minijob machen. Während die Quote in Ostdeutschland bei fast 30 Prozent liegt, profitieren in Westdeutschland, inklusive Berlin, gut 16 Prozent der Beschäftigten. So das Ergebnis einer Studie des WSI vom November 2022. Die Studie blickt dabei auch auf die einzelnen Landkreise in Deutschland. Demnach haben in den Kreisen Sonneberg in Thüringen 44 Prozent aller Beschäftigten einen Anspruch auf 12 Euro Mindestlohn, in Teltow-Fläming (Brandenburg) sind es 43,1 Prozent, Saale-Orla (Thüringen) 40 Prozent und im Kreis Vorpommern-Rügen 39 Prozent. Am niedrigsten ist der Anteil der Beschäftigten, die noch unter 12 Euro die Stunde verdient haben, in Wolfsburg (7,9 Prozent), Erlangen (8,1 Prozent), dem Landkreis München (9,7 Prozent) und in Stuttgart (10,3 Prozent). Schaut man auf die Bundesländer, ist in Mecklenburg-Vorpommern der Anteil der Beschäftigten, die jetzt 12 Euro Mindestlohn erhalten, mit 31,2 Prozent am höchsten, gefolgt von Thüringen (30,8 Prozent). In absoluten Zahlen leben allerdings die meisten Beschäftigten, die Anspruch auf die Mindestlohnerhöhung haben in den bevölkerungsreichsten Bundesländern Nordrhein-Westfalen (rund 1,3 Millionen Beschäftigte; Quote 16,8 Prozent) und Bayern (gut 930.000, Quote 14,7 Prozent). Unter den deutschen Millionenstädten weist Berlin mit 17,8 Prozent und knapp 305.000 Personen die höchste Quote und absolute Zahl der Betroffenen auf. Es folgen Hamburg (14,7 Prozent; gut 160.000), Köln (14,5 Prozent; gut 94.000 Personen) und München (11,1 Prozent; gut 107.000).


  • 10. Gilt der gesetzliche Mindestlohn auch für ausländische Beschäftigte?

    Ja, al­le Be­schäf­tig­ten, die in Deutsch­land ar­bei­ten, ha­ben seit dem 1. Ja­nu­ar 2015 grund­sätz­lich An­spruch auf den gel­ten­den Min­dest­lohn. Das gilt auch, wenn die Be­schäf­tig­ten oder die Un­ter­neh­men, bei de­nen sie an­ge­stellt sin­d, aus dem Aus­land kom­men.


  • 11. Haben Taxifahrer*innen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn?

    Ja. Wie al­le so­zi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig Be­schäf­tig­te ha­ben auch Ta­xi­fah­rer*in­nen An­spruch auf den Min­dest­lohn. An­ders sieht es bei den Selbst­stän­di­gen aus – egal in wel­cher Bran­che: Für sie gilt der ge­setz­li­che Min­dest­lohn nicht.


  • 12. Sind Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn für bestimmte Tätigkeiten geregelt?

    Der Ge­setz­ge­ber hat­te ei­ne Aus­nah­me für Zei­tungs­zu­stel­ler*in­nen fest­ge­leg­t. Sie hat­ten seit dem 1. Ja­nu­ar 2015 min­des­tens An­spruch auf 75 Pro­zent des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns (6,38 Eu­ro) und ab dem 1. Ja­nu­ar 2016 auf 85 Pro­zent (7,23 Eu­ro). Ab dem 1. Ja­nu­ar 2017 ha­ben sie dann auch min­des­tens 8,50 Eu­ro pro Stun­de er­hal­ten. Seit 2018 be­kom­men die Zei­tungs­zu­stel­ler*in­nen den Min­dest­lohn, der von der Min­dest­lohn­kom­mis­si­on je­weils be­schlos­sen wird. Was be­deu­tet das? Seit 2018 gilt ein ein­heit­li­cher Min­dest­lohn für al­le.


  • 13. Seit wann gilt der gesetzliche Mindestlohn? Wie hoch ist er?

    Ab Ja­nu­ar 2015 hat­ten al­le Be­schäf­tig­ten grund­sätz­lich zunächst 8,50 Eu­ro brut­to pro Stun­de er­hal­ten. Seither ist er mnehrfach gestiegen, aktuell liegt er bei 12,82 Euro.


  • 14. Gelten in bestimmten Branchen noch Übergangsfristen für Abweichungen vom Mindestlohn?

    Wäh­rend ei­ner Überg­angs­frist zwi­schen 01.01.2015 und 31.12.2016 konn­te über Ta­rif­ver­trä­ge, die für all­ge­mein ver­bind­lich er­klärt wur­den, von den 8,50 Eu­ro nach un­ten ab­ge­wi­chen wer­den. All­ge­mein ver­bind­li­che Ta­rif­ver­trä­ge gel­ten im­mer für al­le Be­schäf­tig­ten ei­ner Bran­che, un­ab­hän­gig da­von, ob der ein­zel­ne Be­trieb selbst einen Ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen hat. Von den 2015 ein­ge­führ­ten 8,50 Eu­ro Min­dest­lohn ab­wei­chen­de Ta­rif­ver­trä­ge gab es zum Bei­spiel bei Fri­seu­ren, Be­schäf­tig­ten in der Flei­sch­in­dus­trie, in der Lan­d- und Forst­wirt­schaft und im Gar­ten­bau. All­ge­mein ver­bind­li­che Bran­chen­min­dest­löh­ne, die be­reits exis­tier­ten und hö­her als 8,50 Eu­ro la­gen (z.B. im Bau­haupt­ge­wer­be) hat­ten na­tür­lich wei­ter­hin Be­stan­d.


  • 15. Erhalten auch Saisonbeschäftigte den Mindestlohn?

    Be­schäf­tig­te, die be­fris­tet in ei­ner Sai­son – zum Bei­spiel im Ho­tel- und Gast­stät­ten­ge­wer­be oder in der Land­wirt­schaft – ar­bei­ten, er­hal­ten den Min­dest­lohn. Wenn die Sai­son­be­schäf­ti­gung we­ni­ger als 50 Ta­ge im Jahr aus­ge­übt wird, muss für die­se Tä­tig­keit kei­ne So­zi­al­ver­si­che­rung ge­zahlt wer­den. Das gilt aber nur, wenn die Be­schäf­ti­gung nur ge­le­gent­lich und nicht be­rufs­mä­ßig aus­ge­übt wird. Das heißt, die­se Tä­tig­keit darf nicht al­lein für die Si­che­rung des Le­bens­un­ter­halts be­stim­mend sein. Des­we­gen kön­nen Per­so­nen, die ar­beits­los sin­d, die­se Aus­nah­me nicht in An­spruch neh­men. Da we­der Ar­beit­ge­ber noch Be­schäf­tig­te für die sai­sona­le Be­schäf­ti­gung So­zi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge zah­len, stellt sich die Fra­ge, wer die so­zia­le Si­che­rung über­nimm­t. Es soll­te in je­dem Fall si­cher­ge­stellt sein, dass ei­ne Kran­ken- und Un­fall­ver­si­che­rung be­steht. Dies muss mit dem Ar­beit­ge­ber ge­klärt wer­den. Ar­beit­ge­ber kön­nen zu­dem Kos­ten für Es­sen und Un­ter­kunft in an­ge­mes­se­nem Rah­men vom Min­dest­lohn ab­zie­hen. Auch ein We­ge­geld kann un­ter be­stimm­ten Um­stän­den vom Min­dest­lohn ab­ge­zo­gen wer­den.


  • 16. Mein Chef sagt, dass er den gesetzlichen Mindestlohn nicht zahlen kann oder will. Was tun?

    Je­de*r muss sich an das Ge­setz hal­ten, sonst dro­hen Stra­fen/­Buß­gel­der. Zu­nächst soll­te der Vor­ge­setz­te auf das Min­dest­lohn­ge­setz hin­ge­wie­sen wer­den. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les (B­MAS) in­for­miert über den Min­dest­lohn. Te­le­fo­nisch gibt das Bür­ger­te­le­fon des BMAS mon­tags bis don­ners­tags von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr un­ter 030/60 28 00 28 zum The­ma Min­dest­lohn Aus­kunft. ­Kommt es hart auf har­t, muss lei­der je­de*r ein­zel­ne be­trof­fe­ne Be­schäf­tig­te den Ar­beit­ge­ber auf Zah­lung des Min­dest­lohns ver­kla­gen. Ge­werk­schafts­mit­glie­der kön­nen sich bei ih­rer Ge­werk­schaft kos­ten­los recht­lich be­ra­ten las­sen und er­hal­ten im Ernst­fall Rechts­schutz.


  • 17. Was spricht für einen Mindestlohn?

    Geg­ner bran­chen­spe­zi­fi­scher Min­dest­löh­ne und ei­nes all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Min­dest­lohns füh­ren im­mer wie­der an, sie wür­den Ar­beitsplät­ze ver­nich­ten. Tat­säch­lich ha­ben we­der Bran­chen­min­dest­löh­ne noch der ge­setz­li­che Min­dest­lohn zum Ab­bau von Be­schäf­ti­gung ge­führ­t. Viel­mehr hat sich die Ein­kom­mens­si­tua­ti­on von Mil­lio­nen Be­schäf­tig­ten im Nied­rig­lohn­sek­tor deut­lich ver­bes­ser­t. Über 80 Pro­zent der Be­völ­ke­rung spre­chen sich längst für einen Min­dest­lohn aus. Vor al­lem ver­.­di und die Ge­werk­schaft Nah­rung-Ge­nuss-Gast­stät­ten (NG­G) ha­ben über die Jah­re, in de­nen sie sich für die Ein­füh­rung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns in Deutsch­land ein­ge­setzt ha­ben, da­für ge­sorg­t, dass der Öf­fent­lich­keit be­wusst ge­wor­den ist, dass viel zu vie­le Men­schen für Löh­ne schuf­ten müs­sen, die zum Le­ben nicht rei­chen. Sie ha­ben öf­fent­lich ge­macht, dass Nied­riglöh­ne vor al­lem ein loh­nen­des Ge­schäfts­mo­dell für Ar­beit­ge­ber sin­d, das wir al­le über un­se­re Steu­er­gel­der mit­fi­nan­zie­ren.


  • 18. Wie hoch ist der Mindestlohn in anderen Ländern?

    Existenzsichernde Lohnuntergrenzen, also Mindestlöhne, gibt es auch in vielen anderen Ländern. Die gesetzlichen Mindestlöhne in der Europäischen Union sind 2024 kräftig gestiegen: Die 22 EU-Staaten mit einem allgemeinen Mindestlohn erhöhten diesen vor dem Hintergrund hoher Inflationsraten im Mittel (Median) um 9,7 Prozent. Besonders stark fielen die nominalen Zuwächse in vielen osteuropäischen Ländern aus, aber auch die Niederlande (+12,9%) und Irland (+12,4%) haben ihren jeweiligen Mindestlohn deutlich angehoben. In Deutschland fiel die Anhebung zum Jahreswechsel mit einem nominalen Plus von nur 3,4 Prozent auf nun 12,41 Euro hingegen deutlich kleiner aus; EU-weit stieg der Mindestlohn nur in Belgien (+2%) noch langsamer. So laut dem neuen internationalen Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

    Vor In-Kraft-Treten der EU Richtlinie hatten nur wenige Länder die Schwelle von 60 Prozent des Medians erreicht oder überschritten: Portugal, Slowenien und Frankreich. Weitere Staaten orientieren sich bei Mindestlohnanhebungen aber bereits explizit an diesem Niveau. Der Mindestlohn in Deutschland hat sich durch die geringfügige Anhebung und die Entwicklung des allgemeinen Lohnniveaus wieder von dieser Zielmarke entfernt und liegt erheblich darunter. Bereits 2023 wäre zur Erfüllung des 60-Prozent-Kriteriums ein Mindestlohn von 13,61 Euro nötig gewesen, 2024 rund 14 Euro, so Berechnungen der Forscher auf Basis von aktuellen Eurostat-Daten. Die jüngsten Mindestlohnanhebungen relativieren sich, wenn die gestiegenen Lebenshaltungskosten gegengerechnet werden. Real stiegen die Mindestlöhne in 14 EU-Ländern nach dieser Rechenweise gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt um 1 Prozent oder mehr, in sieben davon sogar um mindestens 5 Prozent. Im EU-Mittel lag der Kaufkraftgewinn des Mindestlohns bei 2,5 Prozent. Deutschland gehört zu einer Gruppe von nur sechs Ländern, in denen der Mindestlohn real um 1 Prozent oder mehr fiel.

    Aktuelle Mindestlöhne in der EU

    Mit einem Mindestlohn von aktuell 12,82 Euro steht Deutschland unter den EU-Ländern an Position vier, im Vorjahr hatte Deutschland noch den 2. Rang inne Ein deutlich höherer Mindestlohn gilt in Luxemburg (14,86 Euro) und den Niederlanden (13,27 Euro), auch Irland (12,70 Euro) liegt vor Deutschland. Kein gesetzlicher Mindestlohn existiert in Österreich, den nordischen Ländern und Italien. In diesen Staaten besteht aber eine sehr hohe Tarifbindung, die auch vom Staat stark unterstützt wird. Faktisch ziehen dort also Tarifverträge eine allgemeine Untergrenze. Parallel zu den Kriterien für gesetzliche Mindestlöhne fordert die EU-Richtlinie von Staaten, in denen für weniger als 80 Prozent der Arbeitnehmer*innen Tarifbindung besteht, Aktionspläne zur Stärkung der Tarifbindung. Das betrifft auch Deutschland, wo lediglich rund die Hälfte der Beschäftigten mit Tarifbindung arbeiten. Das ist sinnvoll, denn Tarifverträge sind der beste Schutz gegen Niedriglöhne. In den süd- und den osteuropäischen EU-Staaten liegen die Mindestlöhne weitgehend niedriger als in den meisten westeuropäischen Staaten. Anders als noch vor einigen Jahren unterscheiden sich die süd- und die osteuropäischen Länder nicht mehr so stark voneinander. So reichen die Lohnuntergrenzen von 7,25 Euro in Slowenien, 6,87 Euro in Spanien und umgerechnet 6,10 Euro in Polen über beispielsweise 5,65 Euro in Litauen, 4,85 Euro in Portugal oder 4,69 Euro in Tschechien bis zu 4,51 Euro in Griechenland. Die EU-weit niedrigsten Mindestlöhne gelten in Ungarn mit umgerechnet 4,02 Euro, Rumänien mit 3,99 Euro und Bulgarien mit 2,85 Euro.

    Mindestlöhne außerhalb der EU

    Auch außerhalb der EU sind Mindestlöhne weit verbreitet. Exemplarisch betrachtet das WSI die Mindestlöhne in 16 Nicht-EU-Ländern. Sie reichen von, jeweils umgerechnet, 14,26 Euro in Australien, 12,88 Euro in Neuseeland, 11,98 Euro in Großbritannien oder 10,88 Euro in Kanada über 6,98 Euro in Korea oder 6,59 im japanischen Landesdurchschnitt bis zu 3,98 Euro in der Türkei, 2,44 Euro in Argentinien, 1,20 Euro in Russland, 1,19 Euro in Brasilien bis zu 1,08 Euro in der Ukraine. In den USA wurde der Mindestlohn seit 2009 nicht mehr erhöht wurde und reicht mit umgerechnet 6,70 Euro nicht zum Überleben. Allerdings existieren in rund 30 US-Bundesstaaten und Washington DC höhere regionale Lohnuntergrenzen. So beträgt der Mindestlohn in der Hauptstadt umgerechnet 15,72 Euro, in Kalifornien umgerechnet 14,80 Euro und im Bundesstaat New York 13,87 Euro. In Neuseeland beträgt der Mindestlohn aktuell umgerechnet 12,88 Euro und liegt damit auf westeuropäischem Niveau.