ver.di fordert Schluss mit den Befristungen in der Wissenschaft

    24.06.2021

    Berlin, 24.06.2021 – Jahrelang studiert und dann von Arbeitsvertrag zu Arbeitsvertrag hangeln. So ergeht es vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland. Anlässlich der Debatte im Deutschen Bundestag zu befristeten Arbeitsverträgen in der Wissenschaft (#ichbinhanna) am 24. Juni 2021 fordert ver.di wiederholt eine grundlegenden Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG), in der unbefristete Stellen die Ausnahme  sind und nicht die Regel. Auch die Tarifsperre muss gestrichen werden.

     
    „Frist ist Frust“-Demo von ver.di, GEW und NGAWiss, die ein Ende der Befristungspraxis an Hochschulen fordern
    © ©Kay Herschelmann
    Vor dem Ministerium für Bildung und Forschung in Berlin am 2. Mai 2019: Demo von ver.di, GEW und NGAWiss: „Schluss mit der Befristungspraxis – Mittel des Hochschulpakts müssen für Dauerstellen eingesetzt werden“

    „Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler leiden unter immer neuen Kurzzeit-Arbeitsverträgen ohne verlässliche Perspektive.“

    Sylvia Bühler, für Bildung, Wissenschaft und Forschung zuständiges Mitglied im ver.di-Bundesvorstand

    „Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler leiden unter immer neuen Kurzzeit-Arbeitsverträgen ohne verlässliche Perspektive“, kritisiert Sylvia Bühler, für Bildung, Wissenschaft und Forschung zuständiges Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, CDU, hätte es in dieser Legislatur nur unverbindliche Ankündigungen und Aufrufe an Länder und Hochschulen gegeben. Die nächste Bundesregierung müsse das Thema frühzeitig angehen und das Befristungsunwesen in der Wissenschaft endlich abstellen. „Dass neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur einen Fristvertrag haben, ist nicht hinzunehmen", so Bühler

    ver.di fordert auch klare Mindeststandards für Doktorandinnen und Doktoranden: Sie bräuchten Arbeitsverträge, in deren Laufzeit sie ihre Promotion tatsächlich abschließen könnten. Stellen für Promovierte sollten in der Regel unbefristet sein. Wer sich nach der Promotion für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheidet, braucht dafür auch klare Perspektiven.
    Außerdem müsse die nächste Bundesregierung die Tarifsperre im WissZeitVG streichen, so Bühler weiter. „Es muss möglich sein, in einem Tarifvertrag die Beschränkung von befristeten Arbeitsverträgen auf ein nachvollziehbares Maß vorzunehmen. Gewerkschaftlich organisierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier in ihren Rechten zu beschränken, ist nicht zu akzeptieren."

    Hintergrund:

    2016 war das WissZeitVG novelliert worden mit dem Ziel, die Beschäftigungsbedingungen zu stabilisieren. Wie der im März dieses Jahres vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vorgelegte Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs zeigt, liegt der Anteil befristet Beschäftigter beim hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal unter 45 Jahre und ohne Professur – sogenannter wissenschaftlicher Nachwuchs – bei 92 Prozent und hat sich damit kaum verändert (2015: 93 Prozent).

    In den vergangenen zwei Wochen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter dem Hashtag #IchbinHanna ihre Erfahrungen in der Wissenschaft geteilt. Anlass ist ein Erklärvideo des BMBF, in dem anhand einer Comicfigur namens Hanna der schnelle Wechsel des Personals als vorteilhaft für die Wissenschaft beschrieben wird, damit „nicht eine Generation alle Stellen verstopft". Der Hashtag #IchbinHanna schaffte es zeitweise auf Platz 1 der deutschen Twitter-Trends. Das Video ist vom BMBF inzwischen aus dem Netz genommen worden.