„Wie viele Kolleg/innen seid ihr? Und wie viele müsstet ihr sein, um die Arbeit in der notwendigen Qualität machen zu können?“ Diese Fragen haben ver.dianer/innen am 19. Februar 2013 bundesweit den Beschäftigten in insgesamt 200 Kliniken gestellt. Nicht nur den Pflegekräften und dem ärztlichen Personal, sondern auch den Beschäftigten in den Klinikküchen und Wäschereien, den Reinigungs- und den Technikkräften. Insgesamt müssten, so das Ergebnis, in den deutschen Kliniken rund 162.000 Kräfte mehr eingestellt werden. Allein im Krankenhaus Sulzbach im Saarland kam beim Testlauf heraus, dass 146 Beschäftigte fehlten, um die Qualitätstandards gewährleisten zu können. Eine Stationsleiterin dort antwortete zum Beispiel: „Als ich 1999 hier angefangen habe, waren wir morgens mit acht Kolleginnen und Kollegen da. Heute sind es oft nur vier – obwohl die Arbeit mehr geworden ist.“
Insgesamt wurden bei der von ver.di erhobenen Stichprobe rund 3.900 Krankenhausabteilungen erfasst, Beschäftigte, Personal-, Betriebsräte sowie Mitarbeitervertreter/innen zu Auslastung und Arbeitsbedingungen befragt. Vom Gesamtbedarf an zusätzlichen Vollzeitstellen entfielen 70.000 auf den Pflegesektor. 92.000 Stellen fehlen demnach in den Bereichen ärztlicher Dienst, Funktionsdienste medizinisch-technischer Dienst, Service und Verwaltung. Dabei ist zu beachten, dass 82 Prozent des Personals in den bundesweit rund 2.000 Krankenhäusern unmittelbar mit der Krankenversorgung befasst sind. „Der Wettbewerb der Krankenhäuser um immer geringeren Personaleinsatz und die niedrigste Fachkräftequote muss beendet werden“, sagt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke. Die Arbeitsbelastung habe vielerorts jegliches vertretbare Maß überschritten. „Maßstab muss wieder das Wohlergehen der Patienten werden“, so Paschke.
Die ver.di-Erhebung zur Personalausstattung an Krankenhäusern ist bundesweit die erste ihrer Art. Bislang waren an den Arbeitskräftebedarf lediglich betriebswirtschaftliche Kriterien angelegt worden, während Arbeitsauslastung, Arbeitsbedingungen und Patientenwohlergehen nicht in einen Zusammenhang gestellt wurden. Paschke betont, dass die Krankenversorgung nicht an rein marktwirtschaftlichen Maßstäben gemessen werden dürfe. „Wer als Patient in der Notaufnahme liegt, hat als Marktteilnehmer keine Auswahl mehr.“
Derzeit gibt es 620 Arbeitsplätze im Sulzbacher Krankenhaus. Die wurden auf einem „ver.difikat“ mit dem Stempel „Dein Krankenhaus ist ver.di-geprüft“ genauso dokumentiert wie die 146 fehlenden Kolleg/innen. Beurteilung: „Die Arbeitsbelastung ist unerträglich.“ Auch jede Station oder Abteilung hat ein solches ver.difikat bekommen – das Ergebnis war immer das gleiche. Und in allen anderen befragten Kliniken sieht es – wie sich nun zeigt – keinen Deut besser aus.
Nicht zuletzt deshalb hat ver.di bereits im Frühjahr 2011 die Kampagne „Der Druck muss raus“ gestartet. Und erhöht jetzt mit den aktuellen Zahlen den Druck auf die Geschäftsführungen der Krankenhäuser und auf die Politik. Die Beschäftigten und ver.di fordern nicht weniger als einen Gesundheitsschutz, eine gesetzliche Personalbemessung und mehr Geld für die Kliniken. Weil Arbeit nicht krank machen darf, und nur mit genug Personal auch gute Arbeit geleistet werden kann.
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