EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Mindestlohn fördert Dumpinglöhne

Pressemitteilung vom 21.05.2015

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert die Entscheidung der EU-Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Anwendung des deutschen Mindestlohngesetzes im Verkehrsgewerbe einzuleiten. ver.di wertet diese Entscheidung als Schritt in die falsche Richtung und große Gefahr für die Beschäftigten des Europäischen Transportsektors.

Von Seiten der Kommission hieß es, der Beschluss richte sich nicht gegen den Mindestlohn. Es sei jedoch nicht zumutbar, wenn ausländische Unternehmen die Formulare des Zolls zur Überwachung des Mindestlohns ausfüllen müssten. Zudem dürfe der Mindestlohn nicht für Unternehmen gelten, die aus dem Ausland heraus in Deutschland Dienstleistungen erbringen.

„Eine solcher Beschluss ist unverständlich und inakzeptabel“, betont ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle. „Die Kommission selbst hat soziale Fragen insbesondere im Verkehrssektor auf ihre Agenda gesetzt. Nun will sie bürokratische Hürden über soziale Fragen stellen, weil sich im Zusammenhang mit ihrer Kontrolle gewisse Nachweispflichten für die Unternehmen ergeben“, so Behle. Das Ausfüllen von Zollformularen sei für grenzüberschreitende Unternehmen eine Routinesache, die durchaus zumutbar sei, da sie der Mindestlohnkontrolle diene. Es stelle sich vielmehr die Frage, ob es sozial gerecht sei, wenn wegen einer bürokratischen Hürde zukünftig Busunternehmen beispielsweise Schülerverkehre aus dem benachbarten Ausland anböten, um den Mindestlohn zu unterlaufen. „Damit wird Dumpinglöhnen Vorschub geleistet“, kritisiert die Gewerkschafterin. Die EU-Kommission entlarve hiermit ihre eigene Positionierung zu dem angeblich hohen Stellenwert sozialer Fragen.

„Es ist nicht nachvollziehbar, warum hier Ausnahmen in der Anwendung des Mindestlohns gemacht werden sollen“, so Behle. Im grenzüberschreitenden Speditionsgewerbe seien Praktiken des Lohn- und Sozialdumpings für viele Unternehmen ein Geschäftsprinzip geworden. „Die Durchsetzung sozialer Mindeststandards und auch wirksamer Kontrollmechanismen sind im Verkehrssektor unverzichtbar für Beschäftigte und Unternehmen, die faire Arbeitsbedingungen anbieten.“

ver.di befürchte eine Aushöhlung des Mindestlohns und eine Zunahme des Dumpingwettbewerbs in der Verkehrsbranche. Hätte das Vertragsverletzungsverfahren Erfolg, könnten im Ausland ansässige Firmen beispielsweise Nahverkehrsleistungen in Deutschland mit Löhnen deutlich unterhalb des Mindestlohns anbieten. Im Speditionsgewerbe würden schon heute 40 Prozent der mautpflichtigen Verkehre von gebietsfremden Anbietern geleistet, von denen ein überwiegender Anteil aus den EU-Beitrittsländern mit deutlich geringeren Lohn- und Sozialkosten komme.

Die European Transport Workers Federation (ETF) habe im Januar 2015 in einer Stellungnahme belegt, dass der deutsche Mindestlohn mit europäischem Recht vereinbar sei.

 

Pressekontakt

Martina Sönnichsen
ver.di-Bundesvorstand
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Tel.: 030/6956-1011 bzw. -1012
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